Gold für Briten Clarke Slalom-Kanute Aigner verpasst Olympia-Medaille

Rio de Janeiro · Dicke Tropfen prasselten auf seinen Helm, Hannes Aigner stand nach dem Schockerlebnis im Olympiafinale nicht nur buchstäblich im Regen. Ganze drei Hundertstelsekunden fehlten den Slalomkanuten im Kajak-Einer zur Bronzemedaille, ein Wimpernschlag. "Ich kann mir nichts vorwerfen, ich hab nix versaut", sagte der 27-Jährige und versuchte krampfhaft, sich selbst aufzubauen: "Wenn ich den Kopf in den Sand stecke, wird es auch nicht besser."

 Vierter Platz für Hannes Aigner beim Kanu-Slalom.

Vierter Platz für Hannes Aigner beim Kanu-Slalom.

Foto: dpa, nic

Aigner, Olympiadritter von London 2012, hatte sich als fünfter Starter in den Wildwasserkanal von Deodoro gestürzt und in 89,02 Sekunden klar an die Spitze gesetzt. Dann begann das bange Warten, die Stärksten waren noch oben. "Im Ziel habe ich gedacht, dass es für eine Medaille reichen könnte", meinte Aigner, doch es schoben sich drei Konkurrenten vorbei. "Ich bin trotzdem zufrieden", sagte er, "die anderen waren halt einen Tick besser". Es sei "natürlich ärgerlich", aber "auch kein Beinbruch".

Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Sideris Tasiadis interessieren Aigner die Medaillenziele des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) überhaupt nicht. "Es ist vollkommen egal, was jemand anderes sagt", meinte der 27-Jährige.

Tasiadis (26), am Vortag im Canadier-Einer Fünfter, hatte sich über den Druck beschwert, da der DKV zwei Medaillen in vier Wettbewerben anvisiert. Aigner hat das nicht belastet. "Ich habe trainiert, ich muss für mich selber die Leistung abrufen", sagte der Bronzemedaillengewinner von London 2012.

"Wenn jemand meint, er kann es besser machen, ist er herzlich eingeladen, es zu versuchen", meinte Aigner: "Nur weil irgendjemand irgendwas sagt, kann ich es nicht besser machen. Ich lass mir von außen nicht reinreden."

Clarke holt Gold

Gold gewann der Brite Joseph Clarke (88,70), Silber holte der zweimalige Weltmeister Peter Kauzer (Slowenien/88,70), Bronze ging an den amtierenden Welt- und Europameister Jiri Prskavec (Tschechien/88,99). Das Warten auf den nächsten deutschen Olympiasieg im Kajak-Einer nach den Erfolgen von Siegbert Horn (1972/DDR), Oliver Fix (1996), Thomas Schmidt (2000) und Alexander Grimm (2008) geht also weiter.

Die Verantwortlichen des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) mussten im Whitewater Stadium zum zweiten Mal schlucken. Nur 24 Stunden zuvor war Sideris Tasiadis (26) im Canadier-Einer Fünfter geworden, mit 46 Hundertstelsekunden Rückstand auf Platz drei. Am Donnerstag haben Melanie Pfeifer (Augsburg/K1) und die Weltmeister Franz Anton/Jan Benzien (Leipzig/C2) die letzten Chancen.

Sportsoldat Aigner hatte schon vor den Wettbewerben in Rio auf das starke Feld verwiesen. "Um eine Medaille zu holen, muss alles sitzen", sagte der EM-Dritte. Ein "riskanter Fahrstil" sei gefordert, der DKV-Starter vom Augsburger Kajak-Verein sollte recht behalten.

Aigner, der die Extreme liebt und in seiner Freizeit viel auf dem Mountainbike, an der Kletterwand oder ohne Boot im Wasser unterwegs ist, wird noch mindestens um eine weitere Medaillenchance bei Sommerspielen kämpfen. "Ich habe vor, meine Karriere fortzusetzen. Ob es nochmal für Olympia reicht, weiß ich nicht. Vier Jahre sind ein langer Zeitraum", sagte Aigner.

2020, wenn die nächsten Spiele in Tokio anstehen, ist er erst knapp über 30, um seine Zukunft nach dem Sport kümmert sich Aigner aber schon länger. Seit dem Frühjahr hat der Team-Europameister von 2015, der aus einer vom Wildwasserfahren begeisterten Familie stammt, einen Master in BWL. Sein Studium an der Uni Augsburg ist beendet.

Bevor es zurück nach Hause geht, gilt es, noch viel von Rio zu sehen. "Ich bleibe bis zum Ende der Spiele und versuche, das zu genießen, indem ich mir andere Sportarten anschaue", sagte Aigner. Die Erlebnisse von Deodoro werden ihn begleiten.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort