Hockey-Bronze nur Momentaufnahme? "Aus Magerquark Sahne zu schlagen, ist schwer"

Rio de Janeiro · Die deutschen Hockey-Frauen haben sich eindrucksvoll in der Weltspitze zurückgemeldet. Trainer Jamilon Mülders mahnt eine weitere Professionalisierung an.

 Jamilon Mülders mahnt nach dem Gewinn der Bronzemedaille.

Jamilon Mülders mahnt nach dem Gewinn der Bronzemedaille.

Foto: dpa, kno

Jamilon Mülders war stolz, glücklich, aber auch mächtig geschafft. "Immer aus Magerquark Sahne zu schlagen, ist schwer", sagte der Hockey-Bundestrainer der Frauen wenige Augenblicke nach dem Gewinn der Bronzemedaille - und blickte dabei ziemlich ernst drein.

Keine Frage, Mülders freute sich riesig über den 2:1-Sieg gegen Neuseeland im kleinen Finale und das erste Edelmetall für die deutschen Frauen seit dem goldenen "Wunder von Athen" 2004. Doch die Umstände, unter denen der Erfolg entstanden sei, müssten hinterfragt werden. "Die vier Jahre haben unfassbar Energie gekostet. Alle auf der Geschäftsstelle, alle im Präsidium, alle in der Mannschaft", sagte der 40-Jährige.

Während sich seine Mädels längst ihr verdientes erstes Siegerbier gönnten und ausgelassen zu wummernden Beats die Partynacht einläuteten, mahnte ihr Trainer vor dem Kater nach dem ersehnten Erfolg. Es bedürfe dringend einer Weiterentwicklung der Strukturen. "Das gesamte Setup, das wir um die Damen haben, ist erst einmal weg. Die Magie der Ringe macht Sachen möglich - aber nur für einen begrenzten Zeitraum."

Auf die Dauer keine Basis

Ohne das persönliche Engagement der schlecht bezahlten Co-Trainer, ohne das Entgegenkommen der Bundesliga-Klubs, ohne Physiotherapeuten, die auf eigene Kosten zusätzliche Mitarbeiter für ihre Praxis anstellten, wäre der Erfolg laut Mülders nicht möglich gewesen. Auf Dauer sei dies keine Basis, um mit den immer professioneller aufgestellten Gegnern wie dem neuen Olympiasieger Großbritannien mitzuhalten.

"Andere Länder investieren mehr, das kommt nicht nur aus der Hockey-Struktur", sagte auch DHB-Präsident Wolfgang Hillmann, der mit dem Auftreten beider Teams in Rio richtig zufrieden war. Wie bei den Männern deutet sich allerdings auch bei den Frauen ein Umbruch an. "Tokio sehe ich für mich ehrlich gesagt nicht mehr", sagte Hannah Krüger als Erste. Gegen die "Blacksticks" hatte sie zuvor die Kapitänsbinde getragen - und anschließend Freudentränen vergossen.

"Fakt ist: Diese Mannschaft ist jetzt Geschichte. Sie wird verbunden bleiben durch die Geschichte", sagte Mülders, der an seiner Aufgabe weiter viel Freude verspürt. "Wenn man eine Sache anfängt, soll man sie auch zu Ende machen", sagte er. Medaillen bei den Weltmeisterschaft 2018 und den Sommerspielen in Tokio 2020 hält er mit dem talentierten und bereits verjüngten Team für möglich - wenn mit Hilfe zusätzlicher Gelder an der Professionalisierung gearbeitet wird.

Doch in den kommenden Monaten verlagert der ehrgeizige Coach seinen Schwerpunkt deutlich und lässt Hockey zumindest zeitweise Hockey sein. "Ich bin ab Montag seit langer Zeit erstmal nur Vater, Ehemann und Freund", sagte Mülders und schlich von dannen. Geschafft, aber glücklich.

(sid)
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