"Keine Ahnung, wie die das machen" Deutsche Radsportler verblüfft von britischer Gold-Show

Rio de Janeiro · Die erneute britische Gold-Show im Velodromo da Barra sorgt im deutschen Lager für Verblüffung. Auch, weil der BDR die eigenen hohen Erwartungen bisher nicht erfüllt hat.

 Bahnradfahrerin Kristian Vogel

Bahnradfahrerin Kristian Vogel

Foto: dpa, hpl

Kristina Vogel ist die Olympia-Dominanz der britischen Bahnrad-Mannschaft in Rio de Janeiro nicht ganz geheuer. "Ich will niemandem etwas unterstellen", sagte die Erfurterin am Montag im Velodromo da Barra, "aber das ist schon fragwürdig. Die kommen in der Masse mit einem Niveau - ich habe keine Ahnung, wie die das machen."

So ähnlich wie Vogel geht es Sprint-Bundestrainer Detlef Uibel, der normalerweise um keine Antwort verlegen ist. Angesprochen auf die erneute Gold-Show zuckt Uibel aber nur mit den Schultern. "Vielleicht haben sie das bessere System, die besseren Fachleute, ich weiß es nicht", sagt er: "Es ist jedenfalls beeindruckend."

Während die erfolgsverwöhnten Asse des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) bisher noch hinter den hohen Erwartungen geblieben sind, präsentiert sich Großbritannien auf den Punkt in optimaler Verfassung - wieder einmal. "Es ist nicht nur punktuell", sagt BDR-Sportdirektor Patrick Moster: "Die Briten haben alle einen Sprung nach vorne gemacht."

Und "Schuld" daran sind auch ein paar Deutsche: Der Rheinländer Jan van Eijden (40), früher selbst Top-Sprinter, ist als Coach einer der Architekten des Erfolgs. Er sieht die Gründe in der seit Jahren etablierten Struktur auf der Insel, die spätestens seit Peking 2008 zu einer anhaltenden Dominanz geführt hat. "Das System steht", sagte er, und es wirft scheinbar endlos Gold und Weltrekorde ab.

Britische Dominanz seit 2008

In Peking gab es sieben britische Olympiasieger, beim Heimspiel in London ebenso. In Rio kommen nach sechs Wettbewerben schon wieder vier Goldmedaillengewinner aus Großbritannien. Auch in den verbleibenden Entscheidungen hat das Vereinigte Königreich Favoriten am Start.

Und das, obwohl bei der WM im März in London wenig auf eine solche Steigerung hindeutete. "Eine WM-Vorbereitung betreiben wir mit weniger Aufwand, der Fokus in Großbritannien liegt extrem auf Olympia", sagte van Eijden. Das Geheimnis sei der Stützpunkt in Manchester: "Wir sind zentralisiert und gebündelt."

Beim BDR staunen sie auch über den Betreuerstab des Team GB und das Material. "Wir wissen nicht genau, wie viel Geld im Spiel ist. Wir würden auch gerne mal in ihre Fahrräder schauen", sagte Moster. Er ist erleichtert, dass die Briten zumindest im Teamsprint der Frauen nicht qualifiziert waren: "Da müssen wir froh sein." Sonst hätten Miriam Welte und Vogel vielleicht nicht Bronze gewonnen. "Selbstverständlich wundern wir uns", sagte Vogel über die Dominanz.

In Deutschland ist die Struktur eine andere, mit mehreren Stützpunkten, aber nicht zuletzt auch der technischen Wunderschmiede FES, die seit Jahrzehnten den Bahnradsport mit hoch entwickelten Rennmaschinen versorgt. "Ich sehe nicht, wo der BDR benachteiligt wäre, sie machen sogar mehr Trainingslager als wir. Das Argument Geld kaufe ich nicht", sagte van Eijden, der nicht der einzige Deutsche im Erfolgsgebilde ist.

Der gebürtige Krefelder Philip Hindes war Anfahrer der Teamsprinter, die Gold holten. Den letzten großen Olympia-Auftritt von Sir Bradley Wiggins inszenierte der Thüringer Heiko Salzwedel. "Es ist keine Ende in Sicht", sagte Vierer-Bundestrainer Sven Meyer.

(sb/sid)
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