Debatte um Intersexualität Semenya stürmt zu Gold — und muss sich wieder rechtfertigen

Rio de Janeiro · Caster Semenya ist überlegen zu Gold über 800 m gelaufen - doch ihr großer Erfolg ist zugleich ihr großes Problem. Die schnelle Südafrikanerin steht im Mittelpunkt einer unschönen Debatte.

Olympia 2016: Caster Semenya gewinnt Gold über 800 Meter
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Umstrittene Semenya gewinnt Gold über 800 Meter

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Foto: afp

Caster Semenya umhüllte sich mit der südafrikanischen Flagge, als wollte sie ihren Körper vor skeptischen Blicken schützen. Die 25-Jährige war in Rio de Janeiro nach 1:55,28 Minuten über 800 m als Erste ins Ziel gestürmt - selbstverständlich. Daran, dass Semenya Olympia-Gold holen würde, hatte ja niemand gezweifelt. Viel zu überlegen war die Frau aus Polokwane in diesem Jahr. Doch ihr großer Erfolg ist zugleich Semenyas großes Problem.

"Wir sind nicht hier, um über die IAAF zu sprechen. Wir sind nicht hier, um über Spekulationen zu sprechen. Wir sind hier, um über die 800 m zu sprechen, die wir gelaufen sind", sagte Semenya. Wieder musste sie sich für ihren Triumph rechtfertigen, Semenyas Karriere wird seit sieben Jahren mit großer Skepsis verfolgt. Doch darüber wollte sie nach dem größten Erfolg ihrer Laufbahn nicht sprechen.

Semenya steht im Mittelpunkt einer unschönen Debatte, die die Leichtathletik-Welt zu überrollen droht. Im Mittelpunkt steht das Intimste, ihre Sexualität. Ist sie eine Frau? Ist sie ein Mann? Wie hoch ist ihr Testosteronwert? Auch die Silbermedaillengewinnerin Francine Niyonsaba aus Burundi (1:56,49) und besonders die Kenianerin Margaret Wambui (1:56,89), die Bronze holte, erregten Aufmerksamkeit.

In der Szene wird getuschelt, Semenya laufe erst wieder so schnell, seit der Internationale Sportgerichtshof CAS eine IAAF-Regelung zum Hyperandrogenismus im Juli 2015 ausgesetzt hat. Seitdem müssen vermeintlich intersexuelle Athletinnen wie Semenya ihr Testosteronniveau nicht mehr künstlich senken.

IAAF gegen den CAS

Der Weltverband IAAF will die CAS-Entscheidung anfechten, kündigte Präsident Sebastian Coe direkt vor dem Rennen an. Man werde das "komplizierte" Thema aber "sehr, sehr sensibel" behandeln. Der Brite warnte zudem davor, vermeintlich intersexuelle Athletinnen zu dämonisieren.

Die Läuferinnen sind genervt von der ungeklärten Situation. "Das ist nicht unter meiner Kontrolle, es gibt nichts, was ich tun kann", sagte die Britin Lynsey Sharp, die als Sechste keine Chance auf das Podium hatte: "Das müssen die da oben regeln."

Nach ihrem WM-Titel 2009 in Berlin hatte sich Semenya einem Geschlechtstest unterziehen müssen, die Ergebnisse wurden vom Weltverband IAAF nie veröffentlicht. Doch seitdem beschäftigt die Leichtathletik die Frage, ob Semenya bei Frauen starten und gewinnen darf.

"Wenn ich laufe, bin ich glücklich", hatte Semenya vor Olympia gesagt, genervt von der Debatte. Über das unwürdige Schauspiel 2009, als Semenya tiefste Eingriffe in ihre körperliche Privatsphäre erdulden musste, will sie nicht mehr reden. Sollte die IAAF bis Sommer 2017 keine neuen wissenschaftlichen Beweise vorlegen können, dass hyperandrogene Athletinnen einen deutlichen Leistungsvorteil haben, wird die Regelung endgültig aufgehoben.

"Sport soll die Menschen vereinen", sagte Semenya noch in Anlehnung an ihr Idol Nelson Mandela. Sport solle nicht dazu führen, dass man darüber spricht, "wie jemand spricht, wie jemand aussieht, wie jemand läuft".

(sid)
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