Dortmund Noch viel Arbeit für den Achter

Dortmund · Das Flaggschiff des Deutschen Ruderverbands holte 2012 in London Olympia-Gold. In Rio de Janeiro will die Mannschaft wieder feiern. Dazu muss sie sich in den kommenden drei Monaten noch steigern.

Max Reinelt hat sich dieses Video noch einmal angeschaut. Dieses furchtbare Langstreckenrennen im September auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Diese 12,7 Kilometer. Diese scheinbar endlosen 43 Minuten. Der Ruderer hat sich angeguckt, wie die Briten am Deutschland-Achter und damit auch an ihm locker-flockig vorbeigezogen sind, wie sie die Ideallinie übernommen und damit den Sieg gesichert haben. "Sie haben uns vorgeführt", sagt der Ulmer, der 2012 in London im Gold-Achter saß und auch bei den Spielen in Rio de Janeiro zur Crew gehören wird, "dabei wollten wir das Heimspiel unbedingt gewinnen. So wie die Briten immer daheim in Henley auf der Themse gewinnen wollen."

Nur 40 Schläge haben die Briten für das entscheidende Manöver gebraucht. Ein Triumph für die Gäste. "Das war blamabel", stellte Bundestrainer Ralf Holtmeyer fest. Die deutliche Niederlage wirkt heute, sieben Monate später, noch nach. "Ich bin nicht nachtragend", sagte der 60-Jährige gestern bei der Präsentation des Deutschland-Achters 2016, "aber ich vergesse auch nicht." Ziemlich spitzfindig.

Die Niederlage ist mit Blick auf Rio Mahnung und Ansporn zugleich. Holtmeyer, der schon 1988 in Seoul als 32-Jähriger das erfolgreiche Großboot betreute, nennt die olympische Goldmedaille als Ziel, sieht aber noch viel Arbeit vor sich und seiner Mannschaft: "In drei, vier Wochen wissen wir, wo wir stehen."

Seine Athleten bringen zwar pro Kopf eine Durchschnittsleistung von 552 Watt (zum Vergleich: Radprofis treten bei einer einstündigen Dauerbelastung 400 bis 450 Watt), doch die Kunst besteht auch darin, die PS aufs Wasser zu bekommen. Heißt: saubere Technik, präzise Abstimmung. Ein bis anderthalb Sekunden länger braucht der Achter derzeit noch für die zwei Kilometer lange Wettkampfdistanz als zur gleichen Zeit 2012. "Wir sind stabil auf gutem Niveau, aber noch nicht so gut wie vor vier Jahren. Vor uns liegt noch viel Arbeit", weiß Holtmeyer. 2012 reiste seine Auswahl nach einer praktisch den gesamten Olympiazyklus von vier Jahren umfassenden Siegesserie zu den Spielen.

In ähnlicher Rolle befinden sich jetzt die Briten, die sich unter anderem im vergangenen Jahr bei den Europameisterschaften in Posen durchsetzten. Die am übernächsten Wochenende in Brandenburg auf der Havel stattfindende EM ist nun ein wichtiger Gradmesser für den Deutschland-Achter.

Wegen seiner langen erfolgreichen Olympiageschichte steht der Deutschland-Achter in Rio besonders im Fokus. "Wer in dem Boot sitzt, spürt den Druck", sagt der Bundestrainer, "aber Druck ist prinzipiell etwas Gutes. Wenn man hingegen tiefenentspannt in den Tag geht, kann man nichts leisten."

Für Holtmeyer, der fünf Olympiasieger von London nominiert hat (inklusive Steuermann Martin Sauer) und gegenüber der vergangenen Saison nur einen Ruderer ausgetauscht hat, gibt es mit Blick auf Rio nur zwei Möglichkeiten: "Entweder das Boot läuft gut, oder es läuft sehr gut." So wie im September beim Debakel auf dem Nord-Ostsee-Kanal wird es nicht laufen. Da ist er sich ganz sicher.

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