Leichtathletik Zehnkämpfer Freimuth dominiert in Ratingen

Ratingen · Der Leichtathlet aus Halle pulverisiert seine eigene Bestleistung und ist jetzt ein Medaillenkandidat bei der WM.

 Rico Freimuth jubelt über seinen Sieg in Ratingen.

Rico Freimuth jubelt über seinen Sieg in Ratingen.

Foto: dpa, bt jhe

Im Moment des Sieges sieht Rico Freimuth aus wie aus dem Ei gepellt. Selbst nach zwei anstrengenden Leichtathletik-Tagen sieht man dem Zehnkämpfer nicht einen Hauch von Müdigkeit an. Der 29-Jährige grinst bis über beide Ohren, herzt zuerst seinen großen Freundes-Tross, klatscht dann mit den Zuschauern ab, bevor er ganz oben auf das Siegerpodium steigt und die Arme in den Himmel streckt. Denn Freimuth hat beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen großes vollbracht: Er hat mit 8663 Punkten nicht nur seine eigene Bestleistung um 102 Zähler gesteigert - zusätzlich fährt der Zehnkämpfer nun mit der Jahresweltbestleistung zur Weltmeisterschaft in London (4. bis 13. August). Bei den Frauen gewann die Frankfurterin Carolin Schäfer mit 6667 Punkten deutlich.

Einer der ersten Gratulanten aus Freimuths großer Entourage, die aussieht, als wäre sie einem Rapper-Video entstiegen, ist Michael Schrader. "Er hat aber immer noch sieben Punkte mehr als ich", sagt Freimuth. "Aber es ist schon eine Ehre für mich, überhaupt in Michaels Sphären zu kommen." Schrader, der aktuell mit einer schweren Verletzung zu kämpfen hat, holte 2013 Silber bei der Weltmeisterschaft, Freimuth 2015 die Bronzemedaille. Mit der Leistung von Ratingen ist nun jedoch alles drin. "Wäre er im Hochsprung über fünf Meter gesprungen, hätte er auch 8700 Punkte erreichen können", sagt Schrader über seinen Trainingskollegen. "Wenn er so konzentriert bleibt, kann er in London alles schaffen."

Das sind Sätze, die Freimuth ungern hört. "Ich will nicht über Medaillen reden", sagt er. "Jeder weiß, dass ich damit nicht gut umgehen kann. Ein Zehnkampf wird im Kopf entschieden - und in London sind mit Damian Warner und Kevin Mayer ganz andere Kaliber dabei."

Verstecken braucht sich Freimuth - gemeinsam mit der anderen Medaillenhoffnung Kai Kazmirek, der mit 8478 Punkten ebenfalls das Ticket löste - in London auch vor den großen Namen beileibe nicht. Er stellte im Ratinger Stadion neue persönliche Bestleistungen im Weitsprung, Hochsprung und im Diskuswurf auf, stellte seine Bestleistung im Stabhochsprung ein und verbuchte über 400 Meter, im Speerwurf und über 1500 Meter die besten Werte der Saison. "Ich weiß, was ich kann", betont Freimuth. "Und das habe ich beim Speerwurf, beim Hochspringen und mit dem Stab endlich einmal gezeigt. Das sind Sachen, bei denen es irgendwann mal knallt. Ich bin total glücklich, dass es jetzt soweit ist."

Und doch ist da wieder das Thema mit der Nervosität. Sieben Wochen sind es jetzt noch bis zur WM, viel Zeit, sich Gedanken zu machen. Viel Zeit auch, über die Favoritenrolle nachzudenken, in die er jetzt geschoben wird. Die Frage nach der Nervosität hört Freimuth oft, die Frage danach, dass seine Nerven in entscheidenden Momenten schon einmal versagen.

Der Freimuth von Ratingen im Juni 2017 ist aber ein anderer, ein selbstbewussterer. Neue Bestleistungen nahm Freimuth gelassen, fast entspannt zur Kenntnis. "Ich bin immer nervös vor einem Wettkampf, das stimmt", sagt er. "Aber inzwischen weiß ich, dass gerade die Nervosität mich auch zu Höchstleistungen pusht, dass sie meine Leistungen schärft." Die Schwäche zur Stärke machen - das ist das Rezept von Rico Freimuth auf dem Weg zur WM. Und mit der Stärke, die er in Ratingen demonstrierte, ist dem 29-Jährigen tatsächlich alles zuzutrauen.

(RP)
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