Leichtathletik-EM Reus fährt doch zur Europameisterschaft

Düsseldorf · Vor zwei Wochen hat der 28-Jährige den deutschen 100-Meter-Rekord auf 10,03 Sekunden verbessert. In Europa ist er damit die Nummer drei.

Julian Reus: Deutschlands Rekord-Sprinter
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Das ist Julian Reus

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Foto: dpa, lix hak jai

Nach acht Sekunden wird es hart. So lange kann der Körper seine Höchstleistung bringen, dann übersäuern die Muskeln. Für die 100-m-Läufer heißt es dann, nicht zu verkrampfen, weiter lange Schritte zu machen, das Tempo hochzuhalten und kurz vor Rennende eine Schulter nach vorne zu bringen. Denn, wenn es knapp zugeht, zählen bei der Auswertung des Zielfotos nicht der Kopf oder ein Bein, wenn diese als erster Körperteil die Linie überschritten haben.

Julian Reus hat es am 24. Juni in Zeulenroda perfekt hinbekommen. Bei 10,03 Sekunden blieb die Zeitmessung stehen. Der Sportsoldat aus Hanau, der für den TV Wattenscheid startet, hatte den von ihm gehaltenen deutschen Rekord um 0,02 Sekunden verbessert. Die Arbeit im Herbst und Winter, wenn sechsmal die Woche rund 22 Stunden trainiert wird, hat sich erneut ausgezahlt. Schon vor gut zwei Jahren hatte Reus aufhorchen lassen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm lief er 10,05 Sekunden und damit eine Hundertstelsekunde schneller als der Magdeburger Frank Emmelmann, der seit 1985 die nationale Rekordliste anführte

Reus, der mit elf Jahren fern von Zuhause auf das Sportgymnasium in Erfurt ging, weil dort die Bedingungen besser waren, war zunächst ein Mehrkämpfer, ehe er sich mit 15 Jahren für ein Leben als Solist entschied. Allerdings ist er auch ein Teamplayer, wenn er als einer von vier Athleten in der Sprintstaffel um Erfolge kämpft.

Heute, kurz vor 20 Uhr, hofft Reus zum Feld der acht Sprinter zu gehören, die im Olympiastadion von Amsterdam das Finale über 100 Meter bestreiten. Im Gegensatz zu seinem Namensvetter und Dortmunder Fußballprofi Marco, der sich verletzt hatte, ist der Leichtathlet Reus bei der EM dabei. Gestern hatte er noch frei. Die acht schnellsten Europäer in diesem Jahr waren von der Teilnahme an den Vorläufen befreit. Reus ist die Nummer drei. Er ist heute erstmals gegen 18 Uhr im Halbfinale gefordert. Auch über 200 Meter und in der Staffel startet der Wattenscheider - und vor allem mit der Staffel ist eine Medaille keine Utopie.

Die ersten 20 Meter des 100 Meter-Rennens spult Reus automatisch ab. "Ab 20 Meter etwa realisiere ich, dass ich renne. Das Denken beginnt", schrieb er im "SZ"-Magazin. Ab 40 Meter muss die Höchstgeschwindigkeit erreicht sein. Perfekt läuft es, wenn man dann die Gegner nicht im Blick hat, denn das bedeutet, dass man in Führung liegt. Ob es heute zu einer Medaille reicht? 2012 und 2014 holte er Silber mit der Staffel. Nun könnte er auch als Einzelkämpfer erfolgreich sein. Aber der 28-Jährige weiß, dass der kleinste Fehler die Chance zunichtemacht.

Immer wieder hatten Verletzungen den Sprinter zurückgeworfen. Nun spielt der Körper mit, und Reus zeigt, dass er in Europa mithalten kann. Nach der EM sind die Olympischen Spiele in Rio das nächste Ziel. Dort, wenn die Sprinter aus der Karibik und den USA dazukommen, ist die Finalteilnahme ungleich schwerer. Ob er die 10,0-Marke unterbieten kann? Wenn alle Bedingungen stimmen, kann er es schaffen, sagte Reus. Vielleicht ja schon heute.

(RP)
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