Leichtathletik Japaner helfen Prothesenspringer Rehm

Leverkusen · Markus Rehm unterzieht sich in Tokio einer wissenschaftlichen Studie. Deren Ergebnis könnte ausschlaggebend dafür sein, ob der Leverkusener nicht nur bei den Paralympics, sondern auch bei Olympia starten darf.

Markus Rehm springt in Nürnberg am weitesten
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Rehm springt in Nürnberg am weitesten

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Foto: dpa, shp fdt

Ein Bild des Zuckerhuts und der Erlöserstatue ziert Markus Rehms Homepage. "Auf dem Weg nach Rio", steht dort. Es besteht kein Zweifel daran, dass Rehm, sollte er sich nicht verletzen, im Sommer in der brasilianischen Metropole antritt. Die Frage ist nur: wie oft? Nur bei den Paralympics im September oder auch schon bei den Olympischen Spielen im August? Sein Weg nach Rio hat ihn überraschend nach Tokio geführt, wo die Weichen für seine sportliche Zukunft gestellt werden.

"Die Tage hier sind ziemlich spannend und hoffentlich sehr aufschlussreich", teilte der 27-jährige Weitspringer aus Leverkusen mit, "ich werde hier komplett auf links gedreht." Ein japanisches Fernsehteam will herausbekommen, ob der nach einem Wakeboard-Unfall auf dem Main einseitig unterschenkelamputierte Leichtathlet einen Vorteil durch seine Prothese hat.

Seit er vor zwei Jahren bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm den Titel gewann, sechs seiner sieben Finalgegner Protest einlegten und ihn der Deutsche Leichtathletikverband nicht für die Europameisterschaften in Zürich nominierte, schwelt das Thema. Bei den Deutschen Meisterschaften im vergangenen Jahr in Nürnberg startete der Orthopädiemechanik-Meister, der seine Prothesen in einer Werkstatt in Troisdorf-Spich selbst baut, außer Konkurrenz. Im Laufe des Sommers verbesserte er seine persönliche Bestmarke auf 8,40 Meter. Er hätte damit mit 15 Zentimeter Vorsprung auf Platz eins der deutschen Bestenliste 2015 gelegen. In dieser Saison möchte er 8,50 Meter angreifen. In dieser Preisklasse werden bei Olympischen Spielen die Medaillen vergeben. Greg Rutherford reichten 2012 in London sogar schon 8,31 Meter.

Rehm hat vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) auferlegt bekommen, dass er beweisen muss, keinen Vorteil durch seine Prothese zu haben. Es ist eine Beweislastumkehr. "Sprinter müssen ja auch nicht beweisen, dass sie sauber sind", klagte Rehm, "bei Dopingfällen liegt die Beweislast ja auch bei den Verbänden." In den vergangenen Monaten fand sich aber kein Finanzier für eine entsprechende Studie. Bis sich nun die Japaner meldeten. Sie bezahlen eine Kooperation der Deutschen Sporthochschule Köln mit Instituten in Tokio und in Boulder im US-Bundesstaat Colorado.

Rehm und seine Trainerin, die frühere Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius, sind flexibel. Ob allein die Paralympics zum Saisonhöhepunkt werden oder ob der Weitspringer auch zu Olympia darf, wirkt sich noch nicht auf die Trainings- und Wettkampfplanung aus. Anfang Juni sollen die Ergebnisse der laufenden Studie vorgestellt werden. Danach müsste die IAAF entscheiden, ob sie das Ergebnis akzeptiert. "Die Hoffnung bleibt nach wie vor", sagt Rehm, "ich nehme das wirklich ernst und will ein Zeichen setzen." Ein Zeichen für das Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten.

Sollte Rehm bei den Olympischen Spielen starten, wäre er der Nachfolger des Sprinters Oscar Pistorius. Der beidseitig amputierte Südafrikaner gehörte zu den gefragtesten Athleten bei den Spielen in London. Nur die US-Basketballer, ein paar Tennisstars und Usain Bolt sorgten für ähnlich viel Rummel wie Pistorius. Nach der Tötung seiner Freundin steht der allerdings nun unter Hausarrest. Für Pistorius war der Weg zu Olympia genauso schwierig wie für Rehm. Vor den Spielen in Peking bescheinigte ihm ein Gutachten der Sporthochschule Köln, dass er einen Vorteil durch seine Prothesen habe. Der Internationale Sportgerichtshof (Cas) ebnete ihm aber den Weg zu den Nichtbehinderten. Er ging davon aus, dass sich bei einem 400-Meter-Lauf Vor- und Nachteile der Prothesen aufheben. Allerdings betonte der Cas, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Rehm hilft sie also nicht.

Gerade unter den deutschen Weitspringern hat Rehm Neider. "Er wird immer gegen Missgunst ankämpfen müssen", sagt Nerius, die ihn seit 2009 trainiert. Für die deutsche Leichtathletik ist er allerdings ein Zugpferd. Bei den Meisterschaften im Juni in Kassel wird er auf jeden Fall starten. Ob wie zuletzt außer Konkurrenz oder als Sieganwärter wie 2014 in Ulm, hängt von den Ergebnissen der Studie ab.

(bei)
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