Gebühr für Starts Am 1.1.2016 kommt die Lauf-Maut

Berlin/Düsseldorf · Der Leichtathletik-Verband verlangt künftig für jeden, der bei einem Straßenlauf ins Ziel kommt, einen Euro. Viele kleine Veranstalter sind darüber empört und denken laut über eine Abspaltung vom DLV nach.

Leichtathletik-WM 2013: Schwede Mohamed bricht nach Marathon
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Es genügt in der Leichtathletik-Szene derzeit ein Wort, um den Gesprächspartner auf Betriebstemperatur zu bringen: Lauf-Maut. Die wird ab dem 1. Januar 2016 hierzulande eingeführt. Der DLV treibt sie bei den Veranstaltern von Straßenläufen für jeden Teilnehmer ein, der ins Ziel gekommen ist, sogenannte Finisher. Ein Euro muss entrichtet werden. Der Verband nennt das "Gebührenanpassung". Alle anderen sprechen von einer Erhöhung. DLV-Präsident Clemens Prokop schwärmt: "Das ist eine große Chance, den Laufsport in Deutschland zu fördern." Genau daran haben aber viele an der Basis so ihre Zweifel. Sie fürchten, dass sie die Gelder nie wieder sehen. Vor allem kleine Laufveranstalter haben die Sorge, dass sie sich mit ihren Rennen in einem hart umkämpften Segment nicht halten können.

Bislang gibt es keine einheitliche Regelung. Mal müssen 30 Cent entrichtet werden, mal 50, mal sind es 70 Cent, je nach Landesverband. Dann gibt es Läufe, die sich überhaupt nicht beim Verband anmelden. Darunter fallen zum Beispiel in der Regel Firmenläufe. Die profitieren von der Laufbegeisterung, nutzen oft Regelwerk und Ergebnisdienste des DLV, zahlen aber keine Gebühr. Ab dem kommenden Jahr soll sich das ändern — ein Euro für alle Finisher ab 18 Jahre. Davon gehen 60 Prozent an die Landesverbände, der Rest an den DLV. Der Verband stützt sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das 2013 urteilte, Sportverbände dürften auch von "wilden Läufen" Gebühren verlangen. Juristen sind sich allerdings uneins, ob es so allgemein übertragbar ist.

Vereine fühlen sich übergangen

Die Vereine fühlen sich vom Dachverband übergangen. Peter Schmitz organisiert seit Jahrzehnten eine Winterlaufserie in Nettetal. Zum Klassiker über zehn Kilometer gehen zwischen 800 und 1000 Teilnehmer an den Start. Die überwiegende Zahl sind keine Vereinsmitglieder. Sie zahlen eine Gebühr von sechs Euro, der LC Nettetal rühmt sich für seine familiäre Atmosphäre. Dort hat man Angst, durch die Erhöhung viele Läufer zu verprellen, denn Startgelder müssten angehoben werden. "Das ist einfach nicht fair", klagt Schmitz, 53. "Der Verband kümmert sich nullkommanull um uns, kassiert aber kräftig ab." Damit ein Rennen zu einer Meisterschaftsqualifikation zählt, wird die Strecke offiziell vermessen — durch den DLV. Und der lässt sich auch das natürlich ordentlich bezahlen. "Wir sind alle Ehrenamtler. Wir machen das nur aus Freude am Laufen", sagt Schmitz. "Wenn die Entwicklung so weitergeht, muss man darüber nachdenken, aus dem Verband auszutreten." Aktuell sei das aber noch kein Thema.

Andernorts dagegen schon. In Berlin ist der Sitz von German Road Races (GRR). In dem Verein haben sich 63 kleinere und mittlere Laufveranstaltungen in Deutschland organisiert. Horst Milde ist der erste Vorsitzende. Er ist eine Institution in der Branche, mehr als 30 Jahre hat er den Berlin-Marathon organisiert. "Da ist einfach etwas über die Köpfe der Leute entschieden worden", sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. "Der DLV wittert eine gute Chance, Geld zu verdienen. Das ist nicht fair." Eine Debatte habe es nicht gegeben, nun gäbe es viel aufgestaute Wut unter den vielen Ehrenamtlern.

"Plötzlich steht der DLV auf der Matte"

Zu den Gegnern der Maut-Pläne gehört auch Jan Winschermann, Organisator des Metro-Group-Marathons in Düsseldorf. Er überweist pro Auflage schon jetzt mehr als 20.000 Euro an den DLV für ins Ziele gekommene Läufer. So kommen schnell gigantische Summen zusammen. Der Verband würde ohne ausreichende Gegenleistung jährlich mehr als zwei Millionen Euro aus dieser Sparte erhalten, rechnet Winschermann vor. Es gibt bundesweit etwa 3600 Veranstaltungen im Jahr mit im Schnitt 50 bis 500 Startern. "Der Verband hat sich über Jahrzehnte überhaupt nicht für Straßenläufe interessiert, sondern sich nur auf Leichtathletik im Stadion konzentriert. Nun verzeichnen die Straßenläufe einen immer größeren Zuwachs, und plötzlich steht der DLV auf der Matte. Ich hätte nichts gegen eine derartige Abgabe, wenn man wüsste, wohin das Geld fließt", sagt Winschermann. "Wenn dadurch Talente gefördert und unterstützt würden, wäre ich absolut einverstanden. Die Erfahrung zeigt aber, dass das nicht der Fall ist."

In den kommenden Wochen will GRR noch einmal Verhandlungen mit dem DLV aufnehmen. Die Fronten sind derzeit aber total verhärtet. Der DLV fühlt sich erwartungsgemäß zu Unrecht von den Kritikern an den Pranger gestellt und wehrt sich. In einer Stellungnahme verweist der Verband auf umfangreiche Serviceleistungen, die in dem erhobenen "Solidaritätsbeitrag" beinhaltet seien. Darunter eine Versicherung und die Veröffentlichung im Laufkalender.

Ob das einen Aufschlag rechtfertigt, werden am Ende die Läufer entscheiden müssen.

(RP)
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