Düsseldorf Leichtathletik-Weltverband unter Druck

Düsseldorf · Eine ARD-Dokumentation wirft der IAAF vor, verdächtige Blutproben von Athleten ignoriert zu haben.

 Rita Jeptoo: "Ich habe seit 2006 nicht einmal in Kenia einen Bluttest machen müssen."

Rita Jeptoo: "Ich habe seit 2006 nicht einmal in Kenia einen Bluttest machen müssen."

Foto: dpa, cjg cs

Hochbrisante Doping-Vorwürfe gegen den Leichtathletik-Weltverband haben Entsetzen und Empörung ausgelöst. Eine große Zahl von Blutproben mit verdächtigen Werten sollen von der IAAF geheimgehalten und nicht sanktioniert worden sein. "Das ist sehr alarmierend. Wir sind verstört über das Ausmaß der wilden Anschuldigungen. Das Fundament eines jeden sauberen Athleten weltweit wird erneut erschüttert", sagte Craig Reedie als Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Gut drei Wochen vor der WM in Peking steht die Leichtathletik inmitten einer großen Glaubwürdigkeitskrise.

Die ARD und die "Sunday Times" haben eine Liste mit 12 000 Bluttests von rund 5000 Läufern ausgewertet. Sie stammen nach ARD-Angaben aus der IAAF-Datenbank. Darunter sollen 800 Sportler - nach Informationen des Anti-Doping-Experten Fritz Sörgel auch deutsche Athleten - mit dopingverdächtigen Werten sein, die von 2001 bis 2012 bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in den Disziplinen von 800 Meter bis zum Marathon gestartet sind. Ein Großteil dieser Athleten, darunter angeblich 146 olympische Medaillengewinner und Weltmeister, sei dafür nicht belangt worden.

"Nur gegen ein Drittel von ihnen läuft ein Verfahren oder sie sind bereits gesperrt. Die restlichen zwei Drittel sind nie überführt worden", hieß es in einer Mitteilung von ARD und WDR, die darüber in der Dokumentation "Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik" berichteten.

"Ich habe niemals so alarmierende, unnormale Blutwerte gesehen,", sagte der australische Anti-Doping-Experte Robin Parisotto, der mit Michael Ashenden die Daten statistisch ausgewertet hat. "Es sieht so aus, als wären viele Athleten straflos davon gekommen." Für Ashenden besteht kein Zweifel daran, dass Blutdoping durchgeführt wurde.

Nach ihren Angaben hat jeder dritte auf der Liste aufgeführte Athlet mit dopingverdächtigen Blutwerten eine Medaille gewonnen. Bei jedem sechsten Medaillengewinner sei sich mindestens einer der Wissenschaftler sogar so gut wie sicher, dass der Athlet im Laufe seiner Karriere gedopt hat.

Der Weltverband hat offenbar weggeschaut. "Der Verband hätte eigentlich sehen müssen, wie die schreckliche Wahrheit unter der Oberfläche aussah", kritisierte Ashenden die Anti-Doping-Politik der IAAF. "So ist es meiner Meinung nach eine schamlose Vernachlässigung ihrer elementaren Pflicht, ihren Sport zu überwachen und die sauberen Athleten zu schützen." Für ihn sehe es so aus, dass die Leichtathletik heute in der gleichen "teuflischen Situation" sei wie der damals hochgradig Doping-verseuchte Profiradsport vor 20 Jahren.

Die IAAF weist jede Kritik am Ergebnismanagement zurück und betont, methodisch verlässlich zur Feststellung von Doping seien ausschließlich Analysen, die den strengen Testanforderungen des Biologischen Passes für Athleten folgen. "Die Vorwürfe im Film sind frustrierend, aber andererseits ist ein Dopingverdacht - wie im Film selbst betont wird - noch nicht ein Nachweis des Dopings", meinte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Die Wada hat eine Kommission unter der Führung ihres früheren Präsidenten Richard Pound mit der Aufklärung der Anschuldigungen beauftragt. Sie war Anfang des Jahres gebildet worden, um die ebenfalls in einer ARD-Doku erhobenen Vorwürfe eines systematischen Dopings in Russland zu untersuchen. "Ich hatte gehofft, den Bericht im September fertig zu haben. Nun sieht es so aus, als wenn es noch etwas länger dauert", sagte Pound.

(dpa)
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