Lahm entschuldigt sich für Missverständnisse

Düsseldorf/München Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat seinen Kapitän zum Rapport bestellt. Das hat sich Philipp Lahm mit seinem Buch "Der feine Unterschied" verdient. In seinem Erstlingswerk attackiert der Nationalverteidiger ehemalige Trainer und plaudert über Unstimmigkeiten im Team während der Europameisterschaft 2008. Deshalb soll er sich kommende Woche vor dem Länderspiel gegen Österreich verantworten. "Unsere Nationalspieler müssen sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein", sagte Präsident Theo Zwanziger, "Philipp hat den Fehler gemacht, dass er die durch die Vorab-Veröffentlichung seines Buches entstehende Eigendynamik und mögliche Interpretationen nicht richtig eingeschätzt hat." Von Strafen war (zunächst) nicht die Rede.

Lahm ließ über seinen Berater Roman Gill eine Entschuldigung verbreiten. "Ich wollte Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und andere Personen nicht persönlich treffen", erklärte er, "für Missverständnisse, die auf diese Weise entstanden sind, entschuldige ich mich bei allen Beteiligten."

Was Lahm als Missverständnisse verharmlost, hat zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Völler, dem der Spieler unterstellt hatte, es sei während seiner Zeit als Teamchef nicht systematisch trainiert worden, sprach von einer Frechheit. Der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts sagte unserer Zeitung: "Grundsätzlich muss man aber wissen, dass es ein Tabubruch ist, wenn man sich negativ über Mitspieler, Trainer oder einen Verein äußert. Wenn es so ist, kann ich Rudi Völler verstehen, dass er verärgert ist." Bayer Leverkusens Trainer Robin Dutt sprang seinem Sportdirektor zur Seite. "Mir entzieht sich, warum man sich ausgerechnet Leute wie Jürgen Klinsmann oder Rudi Völler aussucht, die ihr ganzes Leben nicht nur dafür standen, dass sie auf dem Platz alles gegeben haben, sondern dass sie sich in dieser Glitzerwelt des Fußballs auch immer als Menschen vorbildlich präsentiert haben", sagte er, "warum man diesen Trainern und Persönlichkeiten verbale Schmerzen zufügen möchte, um sein Buch zu präsentieren, da ist mir das Motiv noch nicht ganz bekannt."

Felix Magath, von Lahm wegen seines autoritären Stils angegriffen, erklärte: "So wird man keine Persönlichkeit. Bevor ich ihn nach Stuttgart geholt habe, hat er im Fußball keine Rolle gespielt." Lahm habe wohl Werbung für den Verkauf seines Buchs betreiben wollen. Bundestrainer Joachim Löw, der die 270 Seiten offenbar bereits gelesen hat, urteilte: "Es gibt einige Passagen, die mir nicht gefallen, weil hier ein junger Spieler einige Trainer, die lange und erfolgreich gearbeitet haben, öffentlich kritisiert. Philipp ist an Grenzen gestoßen." Eine Absetzung als Kapitän sei freilich nie ein Thema gewesen. Rainer Bonhof, früher unter Vogts DFB-Trainerassistent, betonte: "Ob Lahm als Kapitän der Nationalmannschaft nicht mehr tragbar ist, müssen andere beurteilen. Das Nachkarten in einem Buch ist nicht in Ordnung. Man ist dann nicht mehr Manns genug, die Dinge direkt und wenn sie passiert sind, anzusprechen."

Lahms Ruf ist in jedem Fall beschädigt. Der Stuttgarter Sportdirektor Fredi Bobic sprach für viele, als er feststellte: "Ich würde ihm nie mehr etwas erzählen. Es wird ihm schaden, Gratulation dazu." Lahms Verein Bayern München schweigt.

(RP)
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