Kolumne Gegenpressing Wenn Trösten einen Preis verdient

Frankfurts Trainer Niko Kovac hat in seinem Job einfach menschlich reagiert. Doch im Fußball, wo Schummelei zum guten Ton gehört, reicht das schon für eine Fair-Play-Medaille aus.

 Niko Kovac tröstete die Nürnberger Spieler nach der Niederlage in der Relegation — und wurde jetzt mit der Fairplay-Medaille dekoriert.

Niko Kovac tröstete die Nürnberger Spieler nach der Niederlage in der Relegation — und wurde jetzt mit der Fairplay-Medaille dekoriert.

Foto: dpa, hak

Nehmen wir mal an, Sie halten einem Mitmenschen die Tür auf. Einfach so. Vielleicht sollte man Sie für diese edle Geste mit einer Medaille auszeichnen. Bundesverdienstkreuz zum Beispiel. Ist ja auch tatsächlich eine heutzutage nicht selbstverständliche Tat gewesen. Mitmenschlichkeit bleibt viel zu oft auf der Strecke. Zum Glück gibt es den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Denn der hat noch ein Auge auf die kleinen Dinge des Lebens. Und damit die angemessen gewürdigt werden, verleiht er einmal im Jahr eine sogenannte Fair-Play-Medaille. Diesmal wird damit Niko Kovac ausgezeichnet. Der Trainer von Eintracht Frankfurt hat sozusagen gleich ein paar Leuten die Tür aufgehalten.

Kolumne Gegenpressing: Wenn Trösten im Fußball einen Preis verdient
Foto: Costa

Mai dieses Jahres. Kovac tritt mit Frankfurt zum entscheidenden Relegationsspiel um den Klassenverbleib in der Bundesliga beim 1. FC Nürnberg an. Die Hessen gewannen die Partie 1:0, das Hinspiel war 1:1 ausgegangen. Die Eintracht glücklich, die Cluberer zu Tode betrübt. Und nun kommt der 44-jährige Niko Kovac. Er hat sich natürlich schon auch ein wenig über seinen Erfolg gefreut, doch dann hat er es sich auch nicht nehmen lassen, die gegnerischen Akteure mal kräftig zu drücken. "So bin ich einfach", gab Kovac später zu Protokoll.

Nun, damit kein Missverständnis aufkommt, es ist selbstredend eine grandiose Sache, sich derart generös zu verhalten. Kovac hat in diesem Punkt sicher vorbildlich gehandelt. Doch wie kaputt ist eigentlich der Fußball geworden, wenn es schon ausreicht, sich nicht über einen am Boden liegenden Sportkammeraden lustig zu machen, um in den Kreis eines Fair-Play-Kandidaten zu geraten? Die Wahrheit ist: Es wird im Fußball am laufenden Band betrogen. Es gehört geradezu zum guten Ton, sich mit Schummeleien einen Vorteil zu verschaffen.

Um zu sehen, was der Fußball anrichtet, muss man nur beobachten, wie Kinder das Spiel mittlerweile interpretieren. Es geht den meisten längst nicht mehr ausschließlich um den Spaß an der Bewegung. Sie alle können die große Klaviatur aus dem Nepper-Schlepper-Bauernfänger-Bauchladen aufbieten. Zum Repertoire gehört neben dem Reklamieren auch die Schwalbe fast schon als Kunstform dazu. Jedes kleine Kind beherrscht in Perfektion die Vortäuschung eines Fouls. Die Nachwuchskicker bekommen schließlich von den Profis jedes Wochenende aufs Neue Anschauungsunterricht geboten. Und auch Tätlichkeiten sind an der Tagesordnung.

Und weil es eben so ist, wie es ist, wird das Gewöhnliche in der Welt des Fußballs zu etwas ganz Außergewöhnlichem. Schirmherr der Fair-Play-Medaille ist übrigens nicht Franz Beckenbauer. Der kramt immer noch in seinen Erinnerungslücken, wie das mit dem Sommermärchen wirklich war.

Aber das ist eine andere Geschichte.

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(RP)
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