Sorgen nach Olympia-Nein Fußball, Fußball, Fußball

Düsseldorf · Nach dem gescheiterten Referendum zur Hamburger Olympiabewerbung ist der Aufschrei, dass der Fußball nun endgültig alle anderen Sportarten an den Rand drängen wird, lauter denn je. Zahlen belegen die Befürchtung.

Hamburg: "Das ist eine Schmach" – Pressestimmen
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Pressestimmen zum Nein der Hamburger zur Bewerbung

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Felix Magath kämpft sich im hautengen schwarz-grauen Badeanzug durch das Wasser. Als er anschlägt, sagt die am Beckenrand stehende Fünfkampf-Olympiasiegerin Lena Schöneborn mit Stoppuhr in der Hand: "Felix, da geht aber noch was!" Der Fußballtrainer entgegnet schwer atmend: "Respekt für eure Leistung!" Diese Szene flimmerte 2010 über die deutschen TV-Bildschirme.

 Die Entwicklung der Mitglieder der Sportverbände (Klicken zum Vergrößern)

Die Entwicklung der Mitglieder der Sportverbände (Klicken zum Vergrößern)

Foto: Weber

Der Werbespot war Teil der Partnerschaft zwischen der Deutschen Fußball-Liga und der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Mit der Kampagne "Sportler für Sportler" wollte der übermächtige Fußball seine Unterstützung für andere Sportarten signalisieren. Ein nachweisbarer Effekt blieb aber aus. Im Gegenteil: Der Fußball wächst immer weiter, die restlichen Sportarten verlieren Mitglieder. Und nach dem gescheiterten Referendum zur Hamburger Olympiabewerbung ist der Aufschrei, der Fußball werde nun endgültig die alleinige Sportherrschaft in Deutschland übernehmen, lauter denn je.

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, ist einer der Wortführer, die die Vision einer eindimensionalen deutschen Sportwelt teilen: "Die Zweiklassengesellschaft zwischen Fußball und anderen Disziplinen droht noch stärker zu werden. Den aktuellen Sportlern fehlt die Perspektive auf ein olympisches Heimspiel." Diverse Zahlen belegen diese These.

Während sich die Mitgliederzahl des Deutschen Fußball-Bundes in den vergangenen 14 Jahren um 588.640 Mitglieder auf über 6.851.892 (Stand Ende 2014) erhöht hat, mussten viele andere bedeutende Sportverbände einen Rückgang verzeichnen. Seit 2001 verloren der Deutsche Tennis-Bund, der Deutsche Leichtathletik-Verbund, der Deutsche Schwimm-Verband, der Deutsche Basketball-Bund und der Deutsche Handball-Bund zusammen über 680.000 Mitglieder. Besonders stark ist der Rückgang bei den Tennisspielern. Zu Anfang des Jahrtausends kratzte der DTB noch an der Zwei-Millionen-Mitglieder-Marke - jetzt sind es nur noch etwas mehr als 1,4 Millionen Aktive.

Doch nicht nur die Mitgliederzahl sinkt, auch der Erfolg im Spitzensport bleibt weitestgehend aus. Bei den ersten Olympischen Spielen nach der Wiedervereinigung in Barcelona 1992 konnten deutsche Sportler 82 Medaillen erringen. 20 Jahre später in London reichte es nur noch für 44 Medaillen.

Als Grund für das sinkende Interesse an anderen Sportarten wird von Kritikern häufig die fehlende öffentlich-rechtliche TV-Präsenz angegeben - wie bei der Handball-WM 2015, die nur im Bezahlfernsehen lief. Als die deutsche Männer-Volleyball-Mannschaft im vergangenen Jahr die WM-Bronzemedaille errang, gab es davon ebenfalls keine Livebilder in ARD oder ZDF. Einige Politiker zeigten Verständnis für den Unmut des Volleyball-Verbandes.

Die Öffentlich-rechtlichen verwiesen auf Einschaltquoten (Fußballsendungen waren laut Media Control im Jahr 2013 unter den 15 meistgesehenen Sendungen elf Mal vertreten) und redeten ihren öffentlichen Auftrag mit Prozentzahlen von Wintersport- und Boxübertragungen auf unerheblichen Sendeplätzen schön. Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, malte ein größeres Bild: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist natürlich auch ein Spiegel der Gesellschaft und damit auch der Politik. Oder glauben Sie, dass die Kanzlerin um die halbe Welt fliegen würde, um in der Kabine mit der Volleyballmannschaft auf den Erfolg anzustoßen und Selfies zu schießen?" Das macht die Kanzlerin in der Tat nur, wenn sich die Fußballer auf den großen Rasen der Welt bewegen.

Bilder von Felix Magath flimmern unterdessen nicht mehr über die Bildschirme. Das Programm "Sportler für Sportler" gibt es noch. Nach Angaben der Bundesliga-Stiftung hat der Fußball im Rahmen der Nachwuchselite-Förderung Talente anderer Sportarten seit 2010 mit mehr als 1,5 Millionen Euro unterstützt. Die Partnerschaft mit der Sporthilfe wurde 2012 bis 2016 verlängert - über eine Fortsetzung ist noch nichts bekannt.

(RP)
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