Analyse Die Zukunft bleibt rosarot

Düsseldorf/Mailand · Mit dem 0:0 in Italien endet das Länderspieljahr der Fußball-Nationalmannschaft. Das große Ziel Europameisterschaft wurde verfehlt, aber die Entwicklung des Teams macht Hoffnung. Bundestrainer Löw hat nachrückende Talente wie keiner seiner Konkurrenten.

Italien-Deutschland wird niemals ein Freundschafts-Match sein: Pressestimmen
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Italien - Deutschland: Pressestimmen

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Foto: dpa, fpt

Der Bundestrainer war "schon auch zufrieden, klar" - mit dem 0:0 in Italien im letzten Länderspiel des Jahres und mit dem Jahr 2016. "Mein Fazit für das Jahr ist positiv", sagte Joachim Löw, "obwohl wir bei der EM im Halbfinale ausgeschieden sind." Die Bilanz des Länderspieljahres:

Das Ziel war der Europameistertitel. Das haben auch alle mal erklärt. Am deutlichsten der Mittelfeldspieler Mesut Özil, der eigentlich nicht zu den Lautsprechern gehört. "Unser Ziel ist der Titel", sagte er vor dem Abflug nach Frankreich. Löw verwies nach einer höchst durchwachsenen Qualifikationsrunde mit Niederlagen in Polen und Irland, nach Testspiel-Niederlagen gegen England (2:3) und die Slowakei (1:3) selbstbewusst darauf, dass er es noch immer hinbekommen habe, die Mannschaft im Training vor einem Großereignis in passende Form zu bringen. Das gelang auch diesmal. Löws Mannschaft war die fußballerisch beste bei der EM, ihre Leistungskurve zeigte von Spiel zu Spiel nach oben. Aber sie scheiterte im Halbfinale an Frankreich. Das große Ziel wurde folglich verpasst. Deshalb war es kein außergewöhnliches Jahr für die DFB-Auswahl, sondern nur "ein gutes", wie der Trainer sagte.

Das Grundproblem dieser Elf hat sie durch die EM begleitet. Sie traf viel zu selten ins Tor. Sieben Treffer in sechs Spielen sind eine sehr bescheidene Ausbeute. Auch wenn Löw es gern und wortreich bestreitet, hat das "scho' au" sehr damit zu tun, dass die Nationalmannschaft zwar äußerst begabte und vielseitige Angriffsspieler hat, aber nur zwei Spezialisten im Abschluss: Thomas Müller und Mario Gomez. Ist der eine (Müller bei der EM) in einer Schaffenskrise und muss der andere (Gomez) mal wieder eine Verletzung auskurieren, gibt es niemanden, der den Job auch nur annähernd gleichwertig übernehmen kann. Doch es gibt Anlass zu leiser Hoffnung. Serge Gnabry hat im WM-Qualifikationsspiel gegen die bedauernswerte Elf von San Marino mit drei Treffern immerhin so etwas wie Durchschlagskraft bewiesen. Er hat das aber selbst richtig eingeordnet, als er feststellte: "Es war jetzt eben kein Gegner wie Italien."

Die Entwicklung in diesem Jahr ist eine Bestätigung für Löw. Im Verlauf seiner zehn Jahre als Chefcoach habe sich sein Team von "einer Mannschaft, die reagiert, zu einer Mannschaft gewandelt, die agiert", hat er selbst gesagt. Unterwegs hat sie offenbar auch gelernt, dass vernünftige Abwehrarbeit des gesamten Teams die Aussicht auf Erfolge deutlich erhöht. Verteidiger Jerome Boateng hat darauf zu Beginn der EM mit lautstarkem Gebrumm noch mal hingewiesen. Danach war diese Lektion gelernt. In Frankreich gab es nur drei Gegentore, seit Frankreich überhaupt keines mehr. Sechs Spiele in Folge ohne Gegentor hat zuletzt jene deutsche Mannschaft hinter sich gebracht, die 1966 Vize-Weltmeister wurde.

Die defensive Stabilität hat inzwischen viele Namen. Während noch vor der WM 2014 vielerorts darüber genörgelt wurde, dass allein Mats Hummels und Boateng höheren Ansprüchen gerecht werden, haben sich Benedikt Höwedes, Skhodran Mustafi, sogar Antonio Rüdiger und Jonathan Tah an internationales Format erfolgreich herangetastet. Und weil die ganze Mannschaft begriffen hat, wie wichtig das Agieren im Verbund ist, steht auf jeden Fall fest: Es gehört zu ganz schwierigen Aufgaben, dieser Mannschaft ein Gegentor beizubringen.

Die Luxustruppe arbeitet nach wie vor im Mittelfeld. Es muss für jeden Trainer ein Traum sein, Mesut Özil, Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Sami Khedira im Team zu haben - und das sind nur vier von mindestens 13 weit überdurchschnittlichen Akteuren für gerade mal fünf Positionen.

Der Nachwuchs drückt gerade hier mit Macht. Julian Weigl, Julian Brandt und Max Meyer haben erstaunliche Entwicklungen genommen. Löw kann mit Recht feststellen: "Wir haben viele junge Spieler herangeführt." In dieses "Wir" muss er die Kollegen in den Vereinen auf jeden Fall mit einschließen. Sie versorgen die Nationalelf mit einer regelrechten Flut von Hochbegabten. Deshalb hat Löw auch das Schlusswort. Er sagt: "Ich sehe die Zukunft positiv." Kann er auch.

(pet)
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