Gegenpressing Handballer - die erfrischend anderen Sportler

Keine Spur vom glatt gebügelten Fußballer-Sprech, keine Angst vor klaren Ansagen, keine Selbstinszenierung – bei der EM gingen noch richtige Sportler an die Arbeit.

Handballer — die erfrischend anderen Sportler
Foto: RP/Robert Peters

Keine Spur vom glatt gebügelten Fußballer-Sprech, keine Angst vor klaren Ansagen, keine Selbstinszenierung — bei der EM gingen noch richtige Sportler an die Arbeit.

An dieser Stelle verraten wir Ihnen oft, was wir über die drei liebsten Sportarten der Deutschen denken: über Fußball, Fußball und Fußball. Ausnahmen bestätigen die Regel. Vergangene Woche rückten Handball und Tennis in den Mittelpunkt.

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Dort stehen sie noch immer. Denn sie haben selbst die kühnsten Einschätzungen übertroffen. Die Tennisspielerin Angelique Kerber gewann das Grand-Slam-Turnier von Australien. Und das Handball-Nationalteam wurde Europameister. Das beeindruckte einen Großschreiber in der Zeitung mit den ganz großen Buchstaben derart, dass er die Auswahl flugs zur Nationalelf machte. Im Druck passte das besser, und ein bisschen Fußball muss wohl doch sein.

Auch hier. Aber hier diesmal allein in der Hoffnung, dass im riesigen Schlagschatten des Fußballgeschäfts vielleicht doch noch das eine oder andere zarte Pflänzchen gedeihen möge. Noch lebt diese Hoffnung. Erste Anzeichen: Das Allstar-Spiel der Handballer ist ausverkauft, beim Fed Cup mit Kerber schaut auch der Sender Sat.1 vorbei.

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Es bleiben ein paar Fragen: Wie nachhaltig ist das? Verabschieden wir uns wieder aus dem frisch erwachten Interesse am Tennis, wenn es ein paar Wochen keine rauschende Ballnacht gibt? Vergessen wir die wunderbar gruseligen Stunden, die uns die Handballer mit ihren nervenzerfetzenden Spielen beschert haben, sobald im Fußball die großen Wettbewerbe wieder anrollen?

Das wäre schade. Vor allem die Handballer haben allen vom Fußball Verblendeten (zu denen ich übrigens auch gehöre) bewiesen, dass selbst Profisport auf höchstem Niveau nicht unbedingt mit weltentrückter Abgehobenheit einhergehen muss. Da gingen noch richtige Sportler an die Arbeit, die anschließend erfreulich wenig Rücksicht auf die vermeintlichen Gesetze der Öffentlichkeitsarbeit nahmen.

Keine Spur vom glatt gebügelten Fußballer-Sprech, keine Angst vor klaren Ansagen, keine Selbstinszenierung mit Blick auf soziale Netzwerke. Und kein Versteckspiel. Das ist wohltuend und vorbildlich. Natürlich werden die Handballer durch ihr bemerkenswertes Auftreten die eigene künstliche Welt des Fußballs nicht verändern. Dieser Zug ist abgefahren. Der Fußball lebt nach seinen eigenen Gesetzen. Vielleicht kann der Handball aber dazu beitragen, dass sich nicht alle an diesen oft schwer erträglichen Gesetzen orientieren. Dann wäre schon viel gewonnen. Diese Hoffnung gebe ich nicht auf. Als einstweilen bekehrter Fußballfan, sozusagen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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