Interview mit Julius Kühn "Die EM hat mich stark gemacht"

Der in Duisburg geborene und im Kerkener Ortsteil Stenden aufgewachsene Handballprofi über die Nationalmannschaft, die Ziele mit dem VfL Gummersbach, die Kontaktpflege in die Heimat und schnellere Beine.

Interview mit Julius Kühn: "Die EM hat mich stark gemacht"
Foto: dpa, hpl

Gummersbach 105 Kilo schwer und 1,98 Meter groß - Handballprofi Julius Kühn ist schwer zu stoppen. Bei der EM wurde der Gummersbacher Rückraumspieler nachnominiert und gewann in seinem fünften Länderspiel den Titel, unlängst folgte Olympia-Bronze in Rio de Janeiro.

Herr Kühn, der Aufstieg war rasant. Brauchen Sie jemanden, der Sie erdet?

Julius Kühn Nein. Natürlich ist alles sehr schnell gegangen. Aber ich versuche auf dem Boden zu bleiben, denn im privaten Leben hat sich dadurch nicht viel verändert.

Gibt es ein Schlüsselerlebnis, das die "Rakete Kühn" gezündet hat?

Kühn Nach der EM im Januar habe ich gemerkt, dass ich in der Bundesliga mit mehr Selbstvertrauen aufgetreten bin. Damals habe ich es nicht realisiert, aber die EM hat mich stark gemacht. Und Rio stärkt dir doppelt den Rücken.

Was denken Sie, wenn Sie als Hoffnungsträger des deutschen Handballs gefeiert werden?

Kühn Es ist eine Ehre, so was zu hören. Allerdings gab es das schon öfter, dass solche Lobeshymnen über einen Spieler gesungen wurden und letztlich nicht viel herumkam. Deswegen versuche ich jeden Tag nach dem Maximum zu streben, um solchen Erwartungen auch gerecht zu werden.

Was zeichnet Bundestrainer Dagur Sigurdsson aus?

Kühn Er ist einer, der in der Taktik auch mal aus der Reihe tanzt und unkonventionelle Sachen macht. Man sieht, dass er auch belohnt wird. Auch sonst ist die Trainingsgestaltung anders als bei meinen bisherigen Trainern.

Was bedeutet anders? Intensiver?

Kühn Eher bisschen lockerer. Er macht zudem alles recht kurz und knapp, dabei von enorm hoher Qualität. Und er hilft jedem Spieler sehr viel.

War der Weg als Handballer vorgezeichnet?

Kühn Ich habe neben Handball auch Fußball gespielt. Fußball im Tor, und das gar nicht so schlecht. Dann aber musste ich mich entscheiden. Da alle meine Cousins, Cousinen und Tanten aber Handball spielten oder gespielt haben, war es klar, was ich machen muss.

Setzen Sie alles auf die Karte Handballprofi?

Kühn Handball hat Priorität, denn damit verdiene ich mein Geld. Nebenbei studiere ich Wirtschaftswissenschaften an der Fern-Uni Hagen. Es kann ja ganz schnell vorbei sein, und da will ich ein zweites Standbein aufbauen. Pro Semester versuche ich zwei Klausuren zu schaffen.

Am vergangenen Sonntag ist Gummersbach im Pokal am Zweitligisten Bietigheim gescheitert...

Kühn Das war nicht schön, weder für die Mannschaft noch für den Verein. Wir hatten andere Ambitionen und Ziele, die jetzt schon mal wegfallen. Wir müssen es abhaken. So hart es klingt, für uns beginnt die Saison am Samstag im Heimspiel gegen Balingen-Weilstetten.

Wie lauten die Saisonziele?

Kühn Wir wollen unsere Leistung bestätigen (Platz neun/Red.) und am Ende wieder in der ersten Tabellenhälfte sein. Alles, was weiter nach oben geht, nehmen wir an.

Reizt die Perspektive, mal in der Champions League zu spielen?

Kühn Das ist auf jeden Fall auch ein Traum. Wenn du siehst, dass einige Jungs in deinem Alter dort spielen, willst du auch mal dazugehören. Ich habe aber noch Vertrag bis 2018, deshalb konzentriere ich mich in dieser Saison auf den VfL.

Bleibt noch Zeit, alte Kontakte zu pflegen, oder läuft alles nur in den sozialen Medien?

Kühn Vorwiegend übers Internet. Aber wenn ich mal frei habe, versuche ich in die Heimat zur Familie zu fahren. Ich gehe dann auch zu meinem Heimatverein TV Aldekerk. Dort treffe ich viele Bekannte. Ich habe noch einen guten Draht dahin.

Können Sie in Gummersbach noch unbemerkt bummeln gehen?

Kühn Ich werde erkannt und angesprochen. Nach dem Pokal-Aus war das nicht so schön. Aber die Leute sind recht freundlich. Alles gut.

Was würde sich der Sportler Kühn wünschen?

Kühn Ein bisschen Schnelligkeit, Spritzigkeit. Etwas schnellere Beine wären nicht schlecht.

Spüren Sie inzwischen mehr Respekt, oder wollen es die anderen jetzt gerade Julius Kühn zeigen?

Kühn Ich habe beides erlebt. Es kommt auch darauf an, gegen wen du spielst. Triffst du auf Mannschaften, die oben sind, ist es eher andershherum. Da hast du noch mehr Respekt vor denen.

Wer wird deutscher Meister?

Kühn Ich denke, das machen Kiel, Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen unter sich aus. Dabei können Kleinigkeiten entscheiden.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE ECKHARD CZEKALLA

(RP)
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