Nach Debakel bei Handball-EM Nationaltrainer Prokop unter verschärfter Beobachtung

Hamburg · Nach dem überraschenden Treuebekenntnis des Verbands zeigt sich Christian Prokop selbstkritisch. Doch ab sofort steht der Bundestrainer unter verschärfter Beobachtung.

Das ist Christian Prokop
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Das EM-Desaster? Aufgearbeitet. Die heftige Kritik der letzten Wochen? Verdaut. Das Hickhack um seine Zukunft? Abgehakt. Nach "sehr intensiven" Wochen schnaufte Christian Prokop am Dienstag erst einmal durch. "Nun blicke ich nach vorn und freue mich auf die anstehenden Aufgaben", sagte der Handball-Bundestrainer im SID-Interview.

Diese Aufgaben haben es in sich. Denn die zweite Chance, die ihm das DHB-Präsidium am Montag nach wochenlanger EM-Analyse eingeräumt hat, ist für Prokop auch eine Verpflichtung. Schon in elf Monaten bei der Heim-WM muss eine Medaille für die deutschen Handballer her.

Handball-EM: Das deutsche Zeuignis
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Das EM-Zeugnis der deutschen Handballer

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"Wir haben alle gemeinsam eine schwache Europameisterschaft gespielt. Jetzt gilt es zusammen zustehen, die richtigen Schlüsse einzuarbeiten und uns als Einheit für das sportliche Großereignis, die WM im eigenen Land, optimal vorzubereiten", sagte Prokop.

In den kommenden Wochen ist der 39-Jährige aber nicht bloß auf dem Handballfeld gefragt. Nach den atmosphärischen Störungen zwischen ihm und Teilen der Mannschaft wird es vor allem auf die passende Ansprache ankommen. Das weiß Prokop. Wochenlang hatte er geschwiegen, während sich die Handball-Republik die Köpfe heiß redete. Nun räumte der Sachse, dem zuletzt immer wieder "Beratungsresistenz" und "Kommunikationsschwäche" vorgeworfen worden waren, auch eigene Fehler ein.

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"Mit Sicherheit war die Kommunikation mit- und untereinander nicht optimal. Ich habe die Mannschaft während der EM zu wenig abgeholt und in wichtige Entscheidungen zu selten miteinbezogen", sagte Prokop: "Jetzt gilt es, die Ergebnisse der Aufarbeitung, vor allem im Dialog, in die anstehenden Aufgaben einfließen zu lassen. Der gegenseitige Austausch müsse nun "offen, ehrlich und zielorientiert sein, um alle Stärken zu bündeln".

Auch Routinier Steffen Weinhold schwor seine Teamkollegen auf einen Neustart ein. "Es liegt jetzt an uns Spielern, uns zu öffnen, dem Trainer neues Vertrauen zu geben", sagte der Rückraumspieler den Kieler Nachrichten (KN): "Alle müssen jetzt einen Schritt aufeinander zugehen. Wenn drei, vier, fünf Spieler wegbrechen, fehlt es uns an Qualität."

Mindestens drei Spieler sollen laut KN mit Rücktritt gedroht haben, sollte Prokop weitermachen. Mit Blick auf die Heim-WM sei es "sehr wichtig, dass dann alle Spieler dabei sind, und einige werden sich nach dieser Entscheidung jetzt sicher noch ihre Gedanken machen", sagte Weinhold.

Prokop selbst wird nach den turbulenten letzten Wochen wohl keinen Spieler ausschließen. Einen personellen Neuanfang, wie zuletzt von einigen kolportiert, wird es vorerst nicht geben: "Ich weiß, dass die Mannschaft, die in Kroatien gespielt hat, viel mehr Stärke und Potential besitzt, als was wir gemeinsam gezeigt haben."

Dass der Bundestrainer ab sofort unter (noch) stärkerer Beobachtung steht, wurde bereits am Dienstag offenbar. Während Ex-Welthandballer Daniel Stephan das Festhalten an Prokop als "eklatante Fehlentscheidung" geißelte, erhöhte der Ligaverband den Druck auf den Coach und die DHB-Spitze. "Das einzige, was den Leuten und auch Christian Prokop jetzt helfen kann, ist Erfolg", sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann dem SID.

Die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Prokop sei eine "Entscheidung, die wir zu akzeptieren haben", sagte Bohmann: "Ein gewisses Risiko ist aber dabei." Die Beurteilung des Themas wäre in der Liga "sehr zwiespältig gewesen. Wir werden weiterhin den kritischen Dialog suchen, mit dem Ziel erfolgreich zu sein."

Schon Anfang April werden wieder alle Augen auf Prokop gerichtet sein: Sollte es in den Länderspielen gegen Serbien (4. und 7. April) einen Rückschlag geben, wird sich zeigen, wie es um den Burgfrieden im deutschen Handball bestellt ist.

(sid)
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