Siegtreffer kurz vor Schluss Nachrücker Häfner — von der Couch zum Halbfinal-Helden

Krakau · Bei Kai Häfner lief es nicht. "Das Tor zu erzielen, war nicht unbedingt einfach, aber die Dopingprobe war definitiv nerviger", sagte der umjubelte Matchwinner der deutschen Handballer, als er mit über einer Stunde Verspätung endlich die Katakomben der Tauron Arena von Krakau verlassen durfte.

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Mit seinem Treffer fünf Sekunden vor der Schlusssirene des Halbfinal-Schockers gegen Norwegen (34:33 nach Verlängerung) ebnete Nachrücker Häfner der jungen Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson den Weg ins Endspiel am Sonntag (17.30 Uhr/Live-Ticker) gegen Spanien.

"Das ist alles irgendwie nicht real"

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"Es ist ein großer Traum", sagte Häfner noch immer um Fassung ringend und schüttelte ungläubig den Kopf: "Das ist alles irgendwie nicht real. Man muss sich kneifen lassen, um das alles zu realisieren." Jener Häfner, ausgerechnet Häfner, der fünf Tage zuvor noch auf dem heimischen Sofa das deutsche Spiel gegen Russland im TV verfolgt hatte, versenkte am Freitagabend den entscheidenden Ball — sein fünftes Tor im sechsten Versuch. Angesichts der drei Treffer in der Verlängerung klatschte auch der verletzte Kapitän Steffen Weinhold seinem Ersatz von der Tribüne aus frenetisch Beifall.

"Riesenkompliment an Kai Häfner und auch an Julius Kühn. Sie haben eine tolle Leistung gebracht und uns sehr, sehr geholfen", sagte Sigurdsson: "Man hat ihre frischen Beine gesehen und auch die Geschwindigkeit in den Armen. Das macht was aus." Häfner und Kühn (5 Tore) waren erst am Montag zur Mannschaft gestoßen und ersetzen Weinhold und Torjäger Christian Dissinger seitdem bravourös. Schon im Krimi gegen Dänemark (25:23) hatten die beiden sich nahtlos in das jüngste aller EM-Teams eingefügt, nun übernahmen sie eine Schlüsselrolle.

Linkshänder Häfner bezeichnete den sensationellen Finaleinzug der mit inzwischen 16 EM-Debütanten gespickten DHB-Auswahl als "ein Märchen. Unbeschreiblich. Man kann es gar nicht fassen, dass wir jetzt im Finale stehen", so der Junioren-Weltmeister von 2009. Während Millionen Fans an den TV-Geräten vor Spannung kaum atmen konnten, blieb Häfner cool und hämmerte das Leder humorlos in die Maschen.

"Ich hatte fünf Sekunden vor Schluss den Ball in der Hand, und da hab ich mir gedacht, dass wir noch ein Tor machen müssen. Zum Glück hat das funktioniert", so der 26-Jährige, der in der Bundesliga für Hannover-Burgdorf auf Torejagd geht. So ein Moment sei "einfach nur schön. Dafür trainiert man jeden Tag und lebt diesen Sport."

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No-Name-Truppe greift nach den Sternen

Die schier unglaubliche Geschichte von Häfner und Kühn steht sinnbildlich für die Erfolgsstory der neuen deutschen Handball-Helden. Kaum einer hatte vor dem Turnier in Polen auf die Sigurdsson-Truppe gesetzt, für die breite Öffentlichkeit waren die Spieler größtenteils No Names — die jetzt plötzlich nach den Sternen greifen.

"Das ist Wahnsinn", sagte Shooter Kühn völlig ausgepumpt, "so ein Spiel habe ich noch nicht erlebt". Als es in der zweiten Halbzeit darauf ankam, schweißte der Rückraumlinke vom VfL Gummersbach fünf Bälle eiskalt im skandinavischen Kasten ein. Zur Info: Es war Kühns viertes Länderspiel, der Blondschopf sprach später vom "größten Handballspiel" seiner Karriere.

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Foto: dpa, jai

"Ich saß am letzten Sonntag noch auf der Couch, jetzt spiele ich ein EM-Finale. Das ist Wahnsinn, da hätte ich niemals mit gerechnet", sagte das 22 Jahre alte Kraftpaket. Seine Prognose für Sonntag? "Uns ist egal, wer da kommt. Ein Finale spielt man, um es zu gewinnen."

(sid)
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