Handball-Bundestrainer Sigurdsson Architekt des Aufschwungs

Krakau/Düsseldorf · Seit August 2014 trainiert Dagur Sigurdsson die Männer-Auswahl des Deutschen Handballbundes. Mit dem Isländer kehrte der Erfolg zurück. Gegen Norwegen geht es am Freitag um den Einzug ins Finale der Europameisterschaft.

Dagur Sigurdsson: Ein Porträt in Bildern
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Das ist Dagur Sigurdsson

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Foto: dpa, arn lof

Für Dagur Sigurdsson lautet die Formel für Erfolg: angeborene Fähigkeiten plus erlernte Fähigkeiten mal Einstellung. "Talent hat man oder hat man nicht, und Trainer kann man austauschen. Aber mit der richtigen Einstellung kann ich eine ganze Menge gewinnen", sagt der Isländer. Talent und Einstellung stimmten bei ihm. Er wurde Handball-Nationalspieler und ein Spiellenker der Extraklasse. 1996 verließ er die Insel und war maßgeblich am Aufstieg des LTV Wuppertal in die Bundesliga (1997) beteiligt.

Karriere als Kneipen-Wirt finanziert

Mit seinem Bruder Larus betrieb der passionierte Gitarrenspieler in Reykjavik eine Kneipe, um seine sportliche Karriere zu finanzieren. Die hätte durchaus auch im Fußball stattfinden können, denn für die U17-Auswahl absolvierte Sigurdsson sieben Spiele. Doch die Entscheidung pro Handball erwies sich als richtig. 215 Mal spielte der Mann, der in Reykjavik ein Hotel betreibt, im Nationalteam.

Im Jahr 2000 verließ Sigurdsson das Bergische Land und begann in Japan seine Trainerkarriere. Bei Wakunaga Hiroshima und ab 2003 beim österreichischen Erstligisten Bregenz war Sigurdsson noch Spieler und Coach zugleich. Nach einem halben Jahr Schreibtischarbeit als Manager seines Heimatvereins Valur Reykjavik startete er mit dem österreichischen Nationalteam die erfolgreiche Phase des "Nur-Trainer-Daseins".

Seit August 2014 ist der Isländer für die Männer-Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) verantwortlich und der Beweis für die Bedeutung eines Trainers. In den 17 Monaten seiner Arbeit beim DHB hat der 42-Jährige eine Mannschaft geformt, die wieder beachtet wird. Am Freitag (18.30 Uhr/Live-Ticker) geht es in Krakau gegen Norwegen im Duell der Überraschungsteams dieses Turniers um den Einzug ins EM-Finale gegen Kroatien oder Spanien.

26 Erfolge in 34 Länderspielen, nur sechs Niederlagen – eine starke Bilanz. Siege sind die besten Argumente für einen Trainer. "Wir vertrauen ihm blind", sagt Kreisläufer Erik Schmidt. Und Sigurdsson vertraut seinen Spielern. Wen er holt, der spielt auch. Der Chefcoach ist ein Taktik-Fuchs, er hat ein offenes Ohr für seine Assistenten Axel Kromer und Alexander Haase. Seine Abwehr lässt er mal defensiv, mal offensiv agieren, schickt auch Formationen auf das Feld, die kein Gegner auf der Rechnung hat.

Sigurdssons Selbstvertrauen steckt an. Die Leistungen seiner Jungs überraschen ihn nicht. "Ich wusste ja, wozu mein Team in der Lage ist", betont er. Der Isländer gibt sich unaufgeregt, souverän. Vor allem aber hat er einen Plan. "Dagur gibt jedem eine Funktion, die hat er dann zu erfüllen", sagt Kapitän Steffen Weinhold. Wenn dies nicht geschieht, dann kann der ruhige Dagur aber auch anders. "Wenn er mal auf den Tisch haut, dann kann der auch kaputt gehen", erzählt Rechtsaußen Tobias Reichmann.

Sigurdsson profitiert von Nachwuchsarbeit der Bundesligisten

Sigurdsson profitiert auch von der verstärkten Nachwuchsarbeit der Erstligaklubs. "Bis auf Steffen Weinhold und Carsten Lichtlein sind alle EM-Spieler Kinder der Leistungszentren", betont Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann. Aber der Handballlehrer hat auch den Mut, auf junge Spieler zu setzen. Die DHB-Auswahl ist das jüngste aller 16 EM-Teams, präsentiert sich aber ausgebufft, konzentriert und belastungsresistent. Auch Phasen, in denen es nicht so läuft, wurden weggesteckt, ohne das große Ziel aus den Augen zu verlieren.

Der 25:23-Sieg gegen Mitfavorit Dänemark hat die Euphorie weiter steigen lassen. 5,61 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 21,1 Prozent) erlebten im Ersten Fernsehprogramm, wie sich die "tollen Botschafter Deutschlands" (Fußball-Bundestrainer Joachim Löw) ins Halbfinale kämpften. "Erfolge kommen nie zu früh", betont Bob Hanning. Der beim DHB für den Leistungssport zuständige Vizepräsident genießt den Moment, sagt aber auch: "Um ein Weltklasseteam zu sein, braucht man viele Weltklasse-Resultate."

Am Freitag bietet sich die nächste Gelegenheit.

(RP)
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