Hanning vor der Handball-EM "Ohne Konzentration sind wir Mittelmaß"

Düsseldorf · Bob Hanning ist seit September 2013 beim DHB als Vizepräsident für den Leistungssport zuständig. Dem Männer-Nationalteam traut er bei der EM in Kroatien eine gute Rolle zu, wenn die Spieler das Ziel im Blick behalten.

DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Foto: dpa, nic

Bob Hanning ist kein bequemer Zeitgenosse. Hat er einen Plan, der nicht nur Befürworter findet, zieht der im positiven Sinne Handballbesessene ihn dennoch durch. "Ich bin überzeugt davon, dass man nicht populistische, sondern richtige Entscheidungen treffen muss", sagt der 49-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb rüffelt er auch jene Experten wegen deren Kritik an der Kaderzusammenstellung von Bundestrainer Christian Prokop für die am Freitag beginnende EM-Endrunde in Kroatien. "Natürlich kann man das als mutig bezeichnen, aber es ist richtig, die Dinge umzusetzen, von denen ich als Trainer überzeugt bin", betont der gebürtige Essener. Es gehe nicht darum, das Erbe von Prokops Vorgänger Dagur Sigurdsson zu verwalten, sondern darauf aufzubauen und es zu verbessern.

Seit 2005 hat er den Berliner Handball mit den Füchsen wieder in die nationale Spitze geführt, seit September 2013 ist er als Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) für den Leistungssport zuständig. Sein Ziel: Bei den Olympischen Spielen 2020 eine "echte Chance zu haben, Gold zu holen".

Vor allem Prokops Entscheidung, nach den beiden locker herausgespielten Siegen in den Tests gegen Island den bisherigen Abwehrchef Finn Lemke nicht mitzunehmen, wird hinterfragt. "Ich denke, dass er ein etwas flexibleres System spielen will und der Meinung ist, dies mit diesen 16 Mann besser tun zu können", sagt Hanning und ergänzt: "Letztlich zählt nur das Resultat. Wir werden schnell sehen, ob dies auch unter Stress funktioniert in den Gruppenspielen in Zagreb, wenn es mit Montenegro, Slowenien und Mazedonien dreimal gegen Mannschaften aus Ex-Jugoslawien geht."

Im Blick zurück auf die EM 2016, bei der die DHB-Auswahl sensationell den Titel gewann, wird eine Position wesentlich für einen Erfolg sein. "In Polen hat uns Martin Strobel unglaublich geholfen, auch wenn er kaum im Fokus stand. Er hatte einen guten Rhythmus, konnte das Tempo variieren und hatte ein gutes Analysesystem im Kopf. Ich bin gespannt, wie gut Paul Drux und Philipp Weber die Mannschaft führen können", sagt Hanning.

Will der Handball die Nummer eins der Ballsportarten hinter Fußball bleiben, müssen Erfolge her. Die Frauen verpassten mit dem Achtelfinal-Aus bei der Heim-WM die Chance, Werbung zu betreiben für den Verband, der rasch neue Mitglieder gewinnen will. Nun müssen es wieder die Männer richten. "Eine deutsche Nationalmannschaft steht immer unter Druck. Das ist aber auch der Anspruch unserer Spieler, unter Druck zu stehen. Und der kann gar nicht groß genug sein. Wer für Deutschland spielt, muss damit umgehen können. Und du musst ihn in einen Hurrikan verwandeln und damit über die anderen Mannschaften hinwegziehen."

Das Halbfinale ist für die DHB-Auswahl das erste Ziel. "Wir gehören zur Weltspitze dazu. Aber nur wenn die Spieler aus der WM in Frankreich und dem unerwarteten Achtelfinal-Aus gegen Katar gelernt haben, wenn sie konzentriert und fokussiert bleiben, können wir erfolgreich sein. Wenn nicht, dann sind wir nur Mittelmaß und scheitern erneut", ergänzt Bob Hanning. Als warnendes Beispiel nennt er das EM-Qualifikationsspiel im vergangenen Sommer in der Schweiz, das gegen den wahrlich nicht als Handball-Großmacht berühmten Gastgeber nur mit viel Glück gewonnen wurde.

Hanning ist überzeugt, dass der 39 Jahre alte Bundestrainer Christian Prokop die richtige Balance finden wird, auch wenn es für den ehemaligen Leipziger Bundesligatrainer das erste große Turnier ist. "Wir haben eine Chance, und ich will, dass wir sie alle gemeinsam nutzen", betont der DHB-Funktionär.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort