Spannend wie selten Titelkampf der zweiten Liga ist erstklassig

Düsseldorf · Von wegen zweitklassig: In Sachen Hochspannung im Auf- und Abstiegskampf überflügelt die 2. Bundesliga sogar das Oberhaus. Packende Duelle in der Saison-Schlussphase elektrisieren die Fußballfans.

 Hannover 96 und Eintracht Braunschweig treffen am Ostersamstag im Spitzenspiel aufeinander.

Hannover 96 und Eintracht Braunschweig treffen am Ostersamstag im Spitzenspiel aufeinander.

Foto: dpa, spf fpt

Während in der Bundesliga Rekordmeister Bayern an der Tabellenspitze einsam die Kreise zieht und Fans rare Niederlagen wie gegen Hoffenheim als Sensation feiern, steigt eine Etage tiefer eine wahre Fußball-Party. Teams mit großen Namen und großer Vergangenheit kämpfen sowohl oben als auch unten um Aufstieg und Klassenerhalt.

In der Bundesliga muss der geneigte Statistiker zurückgehen bis zur Saison 2008/2009, um eine Meisterschaft mit einer Punktedifferenz von weniger als fünf Punkten zwischen Meister und Vize-Meister zu finden. Seit dem Titelgewinn des VfL Wolfsburg 2009 feierten entweder der FCB oder der BVB jeweils vorzeitig und deutlich die Meisterschaft. Das Gegenteil ist in dieser Spielzeit in der 2. Liga zu beobachten, wo sich vier Teams seit Monaten ein spannendes Aufstiegsrennen liefern.

An der Spitze ist es kuschelig

Gerade einmal drei Punkte trennen Tabellenführer VfB Stuttgart vom viertplatzierten 1. FC Union Berlin. Punktgleich hinter dem VfB liegt Eintracht Braunschweig in Lauerstellung. Nur drei Treffer fehlen den Niedersachsen in der Tordifferenz zur Pole Position. Wiederum nur ein Punkt und ein Tor dahinter steht schon der größte Konkurrent der Eintracht, der tabellarische und geografische Nachbar Hannover 96, auf Platz drei.

Einen so spannenden und intensiven Aufstiegskampf zwischen vier Mannschaften gab es schon lange nicht mehr. 2004 trennten nach dem 28. Spieltag Nürnberg und Aachen drei Punkte. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison lagen zum gleichen Saisonpunkt zwischen Freiburg und dem Vierten St. Pauli ganze 13 Punkte.

Die Spannung in der 2. Liga bleibt in den kommenden Wochen hoch. Dafür sorgen die vier (!) noch anstehenden direkten Duelle der Aufstiegskandidaten. Das brisanteste findet schon am kommenden Spieltag statt, wenn Hannover 96 Konkurrent Braunschweig zum Niedersachsenderby lädt. Dabei geht es sowohl auf als auch neben dem Platz heiß her. Die Polizei in in Hannover hat jüngst personell für die Begegnung aufgestockt. Eine Woche später kann Union Berlin beim derzeitigen Tabellenführer Stuttgart dafür sorgen, dass sich der Abstand noch oben wieder verringert. Am 32. Spieltag geht es für die Köpenicker zum nächsten Topspiel nach Braunschweig. Ein vorgezogenes Aufstiegsfinale könnte am vorletzten Spieltag zwischen Hannover und dem VfB steigen. Möglicherweise fällt beim Showdown in Hannover die Entscheidung im engen Rennen, aber gut möglich, dass erst am letzten Spieltag der Aufstieg ausgespielt wird.

Zwischenzeitlich entwickelte sich der Vierkampf zwar zum Schneckenrennen, als die Anwärter reihenweise Punkte liegen ließen. Sie dienten dadurch aber als Beweis für die Weisheit "in der Liga kann jeder kann jeden schlagen". Fast wöchentlich entpuppte sich ein neuer Klub als Topfavorit für die Zweitliga-Meisterschaft. Genauso regelmäßig folgte auch der kurzzeitige Leistungseinbruch. Die Tabellenführung wanderte brüderlich einmal ringsum im Klub der Aufstiegsaspiranten. Anfang der Saison übernahm Braunschweig früh die Führung, dann der VfB nach der Winterpause, zwischendurch wurde Union als sicherer Aufsteiger bejubelt, dann katapultierte sich Hannover unter dem neuen Duo Horst Heldt/André Breitenreiter auf die Spitzenposition. Kurz gesagt: Das Rennen ist noch völlig offen — und damit für den neutralen Beobachter eine perfekte Ausgangslage für die Zielgeraden.

Entscheidet am Ende die Tordifferenz?

Auch die Tordifferenz des Spitzenquartetts lässt auf einen spannenden Endspurt hoffen. Denn in dieser Statistik schenken sich Stuttgart (+17), Hannover (+15), Braunschweig (+14) und Union (+13) ebenfalls nichts. Möglicherweise entscheidet das bessere Torverhältnis sogar, wer am Ende in die Beletage des deutschen Fußballs einkehren darf.

Lange Zeit sah es so aus, als könnte auch der dynamische Aufsteiger Dresden um den direkten Durchmarsch ins Oberhaus mitspielen. Nach der Last-Minute-Niederlage gegen Braunschweig am vergangenen Montag haben sich die Sachsen (45 Punkte) aber wohl aus dem Aufstiegsrennen verabschiedet.

Quasi die ganze Liga ist wahlweise in den Auf- oder Abstiegskampf verstrickt. Aktuelle Ausnahmen sind neben Dresden noch die SpVgg Greuther Fürth, die mit 40 Punkten im beschaulichen Niemandsland der 2. Liga steht. Doch dahinter beginnt sie schon, die äußerst große Zone der abstiegsgefährdeten Teams.

Die halbe Liga zittert

Sogar Heidenheim als Siebtplatzierter darf sich mit 36 Punkten noch nicht hundertprozentig sicher fühlen, der Relegationsplatz 16 ist nur sechs Punkte entfernt. Bei noch ausstehenden sechs Spielen ist das rettende Ufer also noch nicht definitiv erreicht. Dahinter steht eine ganze Ansammlung von Traditionsteams wie Fortuna Düsseldorf, Bochum, Kaiserslautern, 1860 München, Bielefeld und St. Pauli Schlange. Nur der Karlsruher SC ist mit 22 Punkten fast schon aussichtslos abgeschlagen. Die restlichen Teams rangeln um die Plätze über dem Strich. Die Dichte ist noch höher als im Aufstiegskampf. Zwischen Rang 17 und Platz neun liegen vor dem 29. Spieltag nur fünf Punkte, elf Teams dürfen noch legitimerweise mit dem Etikett "Abstiegskandidat" beheftet werden.

Ob oben oder unten, für fast alle Teams geht es in dieser Saison noch um viel. Und damit auch für viele Fans. Die Beliebtheit der 2. Liga lässt sich auch im Zuschauerzuspruch ausdrücken. 21.107 Fans kommen pro Spieltag ins Stadion, was am Ende der Saison einen neuen Zuschauerrekord bedeuten würde. Die im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlten Montagsspiele erreichten zuletzt gute Quoten. Freilich profitiert die 2. Liga dabei auch von Zugpferden wie Stuttgart (48.584 Stadion-Zuschauer im Schnitt) und Hannover (34.892), die die Zuschauertabelle anführen. Den Schwaben kann mit über 50.000 möglichen Zuschauern im Schnitt sogar noch ein neuer Rekord gelingen.

(ems)
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