Stadion-Ärger im Dutzend WM in Brasilien: Kosten, Tote und weiße Elefanten

Rio de Janeiro · Brasilien ist mit der Wahl von zwölf Spielorten bei der Fußball-WM hohes Risiko gegangen und muss dafür teuer bezahlen.

Die Spielorte der Fußball-WM 2014
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Foto: AFP

Bei Tiago Paes laufen die Informationsstränge zusammen. So auch beim ultimativen Test in der WM-Arena Sao Paulo, den der Verantwortliche für die operative Integration im Lokalen Organisations-Komitee (LOK) widerspruchsresistent als "extrem positiv" beurteilte. "Bis zum Halbfinale werden wir alles mit verschlossenen Augen machen", verkündete Paes fast schon stolz.

Und beim Eröffnungsspiel der Fußball-WM-Endrunde am 12. Juni, also elf Tage nach dem Probelauf bei der Erstligapartie zwischen Hausherrn Corinthians und Botafogo? Lange Warteschlangen vor und nach dem Spiel, eine immer noch nicht freigegebene Tribüne, Improvisation und Baustellen allerorts sichtbar. Das Spiegelbild der nicht nur hier drohenden Gefahr: Es wird nicht rechtzeitig fertig.

Zu welchem Preis?

Sieben komplett neu erbaute Arenen, vier davon auf dem Schutt der demolierten, weil in die Jahre gekommenen Beton-Vorgänger, sowie fünf runderneuerte Stadien: Alle Regionen Brasiliens, 24-mal größer als Deutschland, seine Postkartenmotive, seine Strände, seine üppige Natur am Amazonas und im Pantanal sollen weltweit zu sehen sein. Aber zu welchem Preis?

Die Kosten explodierten um das Dreifache von veranschlagten 2,8 Milliarden Real im Oktober 2007, als Brasilien die Gastgeberrolle erhielt, auf mittlerweile 8,34 Milliarden Real, heute umgerechnet 2,74 Milliarden Euro. Bis auf Fortaleza und Belo Horizonte hielt sich keiner zum Ärger der FIFA an Fristen. Auch weil es wegen schlechter Arbeitsbedingungen immer wieder zu Streiks und damit Bauverzögerungen kam.

Und bei der Hast blieb die Sicherheit auf der Strecke. Acht Bau-Unfälle endeten tragisch. Der erste Tote im Juni 2012 in Brasilia, je drei in Sao Paulo und Manaus, das letzte Opfer am 8. Mai bei einem Stromstoß in Cuiaba. Zudem verstarb ein Arbeiter in Manaus im Dienst an einem Herzinfarkt.

"Die FIFA hat nie zwölf Stadien gefordert", informiert Generalsekretär Jerome Valcke ohne Unterlass. Der Verband, der acht, maximal zehn Arenen vorsah, habe damals dem Drängen des populären Staatspräsidenten Luiz Inacio Lula da Silva nachgegeben, der eine WM für ganz Brasilien wollte.

"Alles wird durch private Initiativen getragen."

Und dieser versprach fest: "Alles wird durch private Initiativen getragen." Ins gleiche Horn stieß auch der damalige Sportminister Orlando Silva, als er erklärte: "Die WM-Stadien werden mit privaten Mitteln gebaut. Es wird keinen Centavo aus öffentlichen Kassen geben."

Doch in neun der zwölf Arenen stemmten die jeweiligen Bundesländer als Hausherr die Bauten. Aber auch in die klubeigenen Stadien in Porto Alegre, Curitiba und Sao Paulo flossen Steuergelder als Kredite. Für die Refinanzierung der modernen Multifunktionsarenen soll vor allem ein (neues) kaufkräftiges Publikum sorgen. Brasiliens Sport der Massen steht ein Strukturwandel im Zuschauer-Profil, womöglich die Ausgrenzung des einfachen Fans, bevor.

Die aus der Staatskasse finanzierte Bau-Gaudi schuf auch vier "weiße Elefanten": Die Zementriesen in Cuiaba, Manaus, Natal und Brasilia, die schön anzusehen sind, aber ohne Erstliga-Klubs als Randschauplätze des nationalen Fußballs nach dem Turnier ohne Nutzungspotenzial nur noch mehr kosten werden.

In die Arena Amazonia passen 42.300 Zuschauer, die regionale Meisterschaft mit den besten Teams des Bundeslandes zählte in diesem Jahr insgesamt 41.540 Besucher bei 59 Spielen. Das Nationalstadion Brasilia braucht mit einem kolportierten Reingewinn von rund 450.000 Euro im operativen Geschäft seit dem Confed Cup 2013 locker tausend Jahre, um die über 500 Millionen Euro Baukosten einzuspielen.
Zahlen, die für sich alleine sprechen.

(sid)
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