WM-Starter Frankreich im Porträt Frankreich vorne hui, aber hinten pfui

Paris · Frankreichs Fußball hat bei der WM Ambitionen, sieht sich aber nicht als Favorit. Der Weltmeister von 1998 hat vor allem in der Defensive Probleme. Im Angriff kann er allerdings aus dem Vollen schöpfen.

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Diese Mannschaften sind für die WM 2018 qualifiziert

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Frankreich ist vom Champagner-Fußball der 1980er Jahre mit Michel Platini oder der Jahrtausendwende mit Zinedine Zidane noch einiges entfernt. Da ist blanker Realismus eingekehrt. Der ehemalige defensive Mittelfeldspieler Didier Deschamps - immerhin Weltmeister 1998 und Europameister 2000 - setzt auf Sicherheit. Er verstärkt die Defensive (5-3-2 statt 4-3-3 unter dem ehemaligen Weltmeister-Trainer Aime Jacquet).

Aber gerade in der Defensive liegen die Probleme. Gegen Deutschland gab es in der Schlussminute im letzten Winter das 2:2, beim 2:3 daheim gegen Kolumbien wurde eine 2:0-Führung verspielt, und selbst beim 3:1 in Russland wackelte die Abwehr nach dem Anschlusstreffer des WM-Gastgebers erheblich.

Bei Les Bleus stellt sich eine seltsame Frage. Hat Deschamps eine Ansammlung von hoch veranlagten Weltstars oder eine Mannschaft zur Verfügung. Auf diese Frage reagiert der Coach ausweichend: "Das ist mangelnde Erfahrung meiner jungen Spieler. Sie sind teilweise teuer verkauft worden, aber sie sind noch keine Führungsspieler."

Im Sturm kann er immerhin auf Antoine Griezmann zählen. Der Stürmer von Atletico Madrid arrangiert sich entweder mit Olivier Giroud (31, Chelsea, 71/30) oder dem kommenden Star Kylian Mbappe. Der erst 19 Jahre alte Außenstürmer, mit einem atemberaubenden Antrittt versehen, drängt Griezmann in die Mitte - während Stoßstürmer Giroud eher Vorlagen braucht. Mbappe ist, obwohl Monaco ihn an Real Madrid verkaufen wollte, in seinem Heimatland geblieben. Die Ablöse von 180 Millionen Euro - nach einer Ausleih-Saison ist sie nun fällig - bereitet Paris St. Germain jetzt Ärger mit der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wegen des Financial Fair Plays.

Jungstar Mbappe gibt sich gelassen: "Für mich wäre es die Höchststrafe, wenn ich morgens früh aufstehen müsste, um zur Arbeit zu gehen." Auch eine Einstellung für einen, der in der Champions League oder der Nationalmannschaft um 20.45 Uhr Dienstantritt hat.

In der Verteidigung sieht es eher mäßig aus. Torhüter Hugo Lloris (31, Tottenham), anerkanntermaßen einer der zuverlässigsten Keeper der Welt, ist als Kapitän natürlich gesetzt, aber es gibt keinen Bixente Lizarazu (links) und keinen Willy Sagnol (rechts) mehr.

Links und rechts hat Frankreich die größten Probleme. Rechtsverteidiger Djibril Sidibe (25, AS Monaco) ist der Einzige, der mit Antoine Griezmann alle zehn WM-Qualifikationsspiele bestritten hat. Links kämpfen Benjamin Mendy (23, Manchester City), Layvin Kurzawa (25, Paris St. Germain) und Lucas Digne (24, FC Barcelona) um einen Stammplatz, nachdem sich Patrice Evra, damals Olympique Marseille, nach einem Ausraster gegen einen eigenen Anhänger (Fußtritt in Brusthöhe) eine internationale Sperre hinnehmen musste.

Das Fazit vor dem Anpfiff in Russland: "Wie sind keine Favoriten, aber wir haben Ambitionen", sagte Deschamps und hämmerte seine Doktrin auf einer extra für internationale Journalisten anberaumten Pressekonferenz am Verbandssitz am Boulevard de Grenelle in Paris den selbst aus Afrika angereisten Vertretern ein. Auch eine Ansage.

(sid)
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