Trotz Anschuldigungen im Fifa-Prozess Neuvergabe der Katar-WM nahezu ausgeschlossen

New York/Frankfurt · Eine Zeugenaussage unter Eid im Fifa-Prozess in New York nährt die Zweifel an der rechtmäßigen Vergabe der WM 2022 nach Katar. Eine Neuvergabe ist trotzdem nahezu ausgeschlossen.

Fifa-Prozess: Neuvergabe der WM 2022 in Katar nahezu ausgeschlossen
Foto: afp, mb/le

Alejandro Burzacos Aussagen über Hinterzimmer-Geschäfte und Millionenzahlungen waren Wasser auf die Mühlen der Kritiker an Katars Wüsten-WM 2022. Der Argentinier berichtete während des Fifa-Prozesses in New York unter Eid von über alle Maßen korrupten Funktionären, die ihre Stimmen im Jahr 2010 freudig verkauft haben sollen - ein Beweis für Schmiergeld direkt vom WM-Organisationskomitee und damit ein Grund für eine Neuvergabe ist das aber (noch) nicht.

"Dazu müsste im Detail dargelegt und bewiesen werden, dass ein für die Bewerbung Verantwortlicher für die Bewerbung einen Stimmberechtigten bestochen hat und dies auch ausschlaggebend für die Entscheidung für Katar war", sagte die Governance-Expertin Sylvia Schenk der Münchner tz: "Dies müsste dann auch gerichtlich festgestellt werden."

Für die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International ist eine erneute Abstimmung über den WM-Ausrichter deshalb Stand heute nahezu ausgeschlossen. "Also das Thema Katar ist abgehakt", sagte Schenk und verwies auf vergleichbare Gerichtsverfahren aus der Wirtschaft, die Jahre gedauert hätten und zu keinem klaren Ergebnis gekommen seien.

Burzaco, der sich 2015 schuldig bekannt hatte und einen Deal mit der Staatsanwaltschaft eingegangen war, hatte im Zeugenstand die früher enorm einflussreichen Funktionäre Nicolas Leoz (Paraguay), Ricardo Teixeira (Brasilien) und Julio Grondona (Argentinien/2014 verstorben) schwer belastet.

Grondona, über Jahre die "graue Eminenz" im südamerikanischen Kontinentalverband CONMEBOL und früher Fifa-Finanzchef, habe für seine Katar-Stimme eine Million Dollar bekommen, sagte Burzaco. Woher (oder von wem), wurde in letzter Konsequenz nicht bekannt. Auch will Burzaco in der Nähe gewesen sein, als Grondona von Katar-Offiziellen noch mehr Geld gefordert habe.

Leoz, dessen Auslieferung in die USA am Donnerstagabend gerichtlich genehmigt wurde, aber aufgrund seines Gesundheitszustandes weiter fraglich ist, soll 2010 während einer Abstimmungspause von Grondona und Teixeira zusammengestaucht worden sein. "Sie schüttelten ihn, sie fragten: Was machst du? Stimmst du nicht für Katar?", berichtete Burzaco. Katar gewann in der vierten Runde mit 14:8 Stimmen gegen die USA. Völlig offen ist, was der noch Wochen dauernde Fifa-Prozess in Sachen Katar außerdem zutage fördern wird.

Neu sind die Bestechungsvorwürfe gegen Katar nicht. Sie belasten den Weltverband Fifa quasi seit dem Moment, als der frühere Fifa-Boss Joseph S. Blatter den Briefumschlag mit dem Namen des WM-Ausrichters 2022 präsentiert hatte. Stichhaltige Beweise gibt es aber bislang nicht. Auch der weltweit beachtete Garcia-Bericht, der die Doppelvergabe an Katar und Russland 2018 untersuchte, hatte "nur" dubiose Praktiken aufgedeckt - aber eben nichts, was vor Gericht standhalten würde.

Der frühere Vorsitzende der rechtsprechenden Kammer der Fifa-Ethikkommission, Hans-Joachim Eckert (München), forderte in der ARD, dass seine Nachfolger aktiv werden. "Man wird erwarten können und auch müssen, dass die Fifa-Ethikkommission hier in welcher Form auch immer tätig wird, weil diese Anschuldigungen gegen bestimmte Personen ja nun sehr konkret sind", sagte der Richter, der im vergangenen Frühjahr von der neuen Fifa-Führung unter fragwürdigen Umständen nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen worden war.

Der Weltverband, der in dem US-Verfahren als Geschädigter gilt, äußert sich zum Prozess in den Staaten nur sehr zurückhaltend. "Die Fifa ist ein Opfer der mutmaßlichen Verbrechen", teilte der Verband auf SID-Anfrage mit: "Sollten die Geschworenen die Angeklagten für schuldig befinden, wird die Fifa alle notwendigen Maßnahmen einleiten, um Schadensersatz für die durch das Fehlverhalten entstandenen Verluste einzufordern."

(sid)
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