WM-Affäre Radmann räumt Beeinflussung ein - Druck auf Beckenbauer steigt

Frankfurt/Main · Ein Vertragsentwurf zwischen den Machern der WM 2006 und Jack Warner diente der Absicherung von Stimmen unmittelbar vor der Turniervergabe. Das räumte Fedor Radmann ein. Von Bestechung will der engste Vertraute Franz Beckenbauers jedoch nichts wissen.

Fedor Radmann: "Beruhigungsvertrag" mit Jack Warner
Foto: dpa, ms nic

Ob Bestechung oder Täuschung - mit dem explosiven Beckenbauer-Dokument wollten die Macher der Fußball-WM 2006 den zwielichtigen Fifa-Funktionär Jack Warner nur vier Tage vor der Turnier-Vergabe noch unmittelbar beeinflussen.

"Wir wollten verhindern, dass er gegen uns arbeitet. Wir wollten verhindern, dass er andere Wahlmänner beeinflusst, auch gegen uns zu stimmen", sagte der frühere WM-OK-Vizepräsident Fedor Radmann dem SID am Donnerstag. Er betonte: "Bestechung war das keinesfalls. Es wurde ja nie umgesetzt."

Der Druck auf Franz Beckenbauer steigt damit noch einmal enorm. Der OK-Chef hatte den Vertragsentwurf vier Tage vor der Abstimmung im Juli 2000 angeblich "blind" unterschrieben, er sprach im Interview mit der Süddeutschen Zeitung im November 2015 von einem "Entwicklungshilfepaket mit Ticketing-Möglichkeit" für Warners Kontinentalverband CONCACAF. Schließlich gebe es wenige Fußball-Plätze in der Karibik, und die seien löchrig.

Nun jedoch räumt sein engster Vertrauter ein: Es sollte mit erheblichen Zusagen in letzter Minute explizit Einfluss auf den damaligen Fifa-Vize aus Trinidad und Tobago genommen werden - und damit auch indirekt auf das Stimmverhalten anderer. Deutschland gewann die Abstimmung am 6. Juli 2000 in Zürich mit 12:11 gegen Südafrika.

In der Zeitung Die Welt spricht Radmann (71) von "einer Art Beruhigungsvertrag", was er auf SID-Nachfrage bekräftigte: "Wir wollten Ruhe haben, ihn uns vom Hals schaffen, fertig, aus! Er hat immer, immer wieder so rumgejammert, was die Engländer alles für seinen Verband tun - und wir gar nichts. Da haben wir halt was gemacht." Jedoch sei immer klar gewesen, dass jenes brisante Papier "niemals zum Tragen kommen würde. Und Jack Warner hat immer gesagt: Meine Stimme kriegt ihr sowieso nicht".

Das Beckenbauer-Dokument vom 2. Juli 2000 war in den Archiven des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aufgetaucht. Es wurde von Beckenbauer und Warner unterschrieben; es war auch ein Grund für den Rücktritt des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach. Da die Zusagen nach jetzigem Kenntnisstand nicht in die Tat umgesetzt wurden, spricht auch die Juristin Sylvia Schenk nicht von Bestechung. "Es kann auch eine Täuschung Warners gewesen sein, quasi eine Finte. Ein Vertrag ist unwirksam, wenn eine Seite ihn von Beginn an nicht umsetzen will", sagte die Anti-Korruptions-Expertin von Transparency International Deutschland am Donnerstag.

Von der DFB-Interimsführung um die Präsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch wird das Dokument weiterhin als Bestechungsversuch gewertet. "Wie kann von Bestechung die Rede sein, wenn - meines Wissens - nicht ein einziger Artikel jemals umgesetzt wurde?", sagt dagegen Radmann.

Im Welt-Gespräch erklärte er: "Jack Warner war Vize-Präsident der Fifa, er war ein wichtiger Mann und unglaublich einflussreich, alle haben ihn umschwärmt. (...) Deswegen haben wir vielleicht versucht, ihn zu beruhigen." Radmann steht allerdings fest zu seiner Aussage, es sei niemals bestochen worden. Deutschland habe die beste Bewerbung eingereicht: "Alles andere ist dummes Zeug."

Auf einer anderen Baustelle in der WM-Affäre herrscht derweil Stillstand. Die vom DFB gestellten Güteanträge liegen bisher weder dem Ex-Präsidenten Theo Zwanziger (70) noch dem ehemaligen Generalsekretär Horst R. Schmidt (74) vor. Beide erklärten, mit Stand Donnerstag kein entsprechendes Dokument erhalten zu haben. Der DFB will durch die Anträge mögliche Schadenersatzansprüche vor der Verjährung schützen.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort