WM-Affäre Beckenbauer muss sich erklären

Düsseldorf/Frankfurt · Seit drei Wochen treibt die Affäre um die Vergabe der WM 2006 den deutschen Fußball um. Der "Spiegel" hatte über eine schwarze Kasse beim DFB und den Vorwurf der Korruption berichtet. Inzwischen ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen den DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, dessen Vorgänger Theo Zwanziger und den ehemaligen Generalsekretär Horst R. Schmidt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Auch nach drei Wochen sind viele Fragen offen.

Wohin flossen die 6,7 Millionen Euro? Darüber gibt es immer noch unterschiedliche Darstellungen. Die Fraktion Niersbach/Franz Beckenbauer (damals OK-Organisationschef) beteuert, das Geld sei als Vorleistung auf einen WM-Zuschuss von 170 Millionen Euro an die Fifa gezahlt worden. Der ehemalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus habe dem Organisationskomitee das Geld geliehen. 2005 soll es über ein Fifa-Konto an Dreyfus zurückgeflossen sein.

Kam das Geld bei Dreyfus an? Nach Erkenntnissen der "Süddeutschen Zeitung" ist das fraglich. Das Blatt beruft sich auf einen Aktenvermerk des ehemaligen Generalsekretärs Schmidt. Als Ansprechpartner für den 6,7-Millionen-Euro-Handel werde bei der Fifa-Finanzkommission der katarische Topfunktionär Mohamed Bin Hammam genannt. Es wird darüber spekuliert, ob mit dem Geld eine schwarze Kasse der Fifa gefüllt wurde, aus der Wahlkampfhilfe für den Präsidenten Sepp Blatter bestritten wurde.

Weshalb ermitteln die Steuerfahnder? Die 6,7 Millionen Euro wurden vom DFB als Beitrag zu einem Kulturprogramm bei der WM deklariert und in der Steuererklärung als Betriebsausgaben geltend gemacht. Weil das Kulturprogramm nicht stattfand, sei die Erklärung falsch, vermuten die Fahnder. Die Steuererklärung wurde von Wolfgang Niersbach kurz nach seiner Wahl zum Generalsekretär des DFB 2007 unterzeichnet. Damals war Zwanziger DFB-Präsident. Nach Informationen des "Spiegel" untersucht die Staatsanwaltschaft auch Vorgänge ab dem Jahr 2000, in dem die Vergabe der WM erfolgte. Insgesamt gehe es um hinterzogene Steuern in Höhe von 2,57 Millionen Euro.

Was sagt der Präsident? Nichts, jedenfalls nichts in der Öffentlichkeit. Wolfgang Niersbach hat der vom DFB als externe Untersuchungskommission berufenen Wirtschaftskanzlei Freshfields "mehrere Stunden" Auskunft gegeben. Montag wird er das Präsidium informieren.

Was sagt Beckenbauer? Der damalige Chef des OK könnte eine Menge sagen, weil er eigentlich alles wissen müsste. Bislang hat er in einer dürren Mitteilung lediglich eingeräumt, "einen Fehler gemacht zu haben", als er auf den Handel mit der Fifa einging. Die Basis des DFB murrt vernehmlich über die ungewohnte kaiserliche Zurückhaltung in der Öffentlichkeit. Er möge endlich zur Aufklärung beitragen, sagen auch führende Funktionäre. Eine Strafe droht ihm nicht, denn gegen ihn wird nicht wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt, weil er mit der Steuererklärung nichts zu tun hatte. Der mögliche Vorwurf der Korruption ist verjährt. Beckenbauer steht allein in einer moralischen Pflicht, sich zu erklären. Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob Moral für die (einstige) Lichtgestalt des deutschen Fußballs eine maßgebliche Kategorie des Handelns ist.

Was sagt Günter Netzer? Die zweite Ikone des deutschen Fußballs der 70er Jahre wurde von Zwanziger zur zentralen Figur in der Affäre ernannt. Zwanziger will von ihm erfahren haben, dass mit den 6,7 Millionen Euro die asiatischen Stimmen für die deutsche Wahl zum WM-Ausrichter 2006 gekauft worden seien. Das bestreitet Netzer energisch, er will Zwanziger deshalb verklagen. Gestern ließ er über seine Anwälte erklären, dass er "sich nicht als Hauptprotagonisten ansehe". Ausdrücklich widerspreche er einer Version der Geschichte, nach der er das Darlehen von Dreyfus für den DFB vermittelt habe. Netzer lege Wert auf diese Feststellung: "Dreyfus kam auf ihn zu mit der Bitte, den Kontakt zu den WM-Machern herzustellen." Von einem Darlehen habe er nichts gewusst. Netzer war gut befreundet mit dem 2009 verstorbenen Dreyfus. Gemeinsam mit ihm gehörte er zu den Gründern des Sportrechtehändlers Infront. Die Firma hatte die Rechte der insolventen Kirch-AG gekauft. Infront besaß die Rechte an der WM 2006.

(pet)
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