Bericht über gekaufte WM 2006 Die Basis fordert Erklärungen von Niersbach

Düsseldorf · Am Montagabend sind in Frankfurt am Main die Landesfürsten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zusammengekommen. Es war eine turnusmäßige Sitzung des Gremiums, die Tagesordnung wurde allerdings nur von einem Thema bestimmt: Gab es "schwarze Kassen" rund um die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland? Die Stimmung soll aufgewühlt gewesen sein. Eine Mischung aus Sorge, Wut und Unverständnis.

Wolfgang Niersbach im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund
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Niersbach im Deutschen Fußballmuseum

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Foto: afp, PST ej

In diesem Gremium der fünf Regional- und 21 Landesverbände sitzen ausschließlich Vertreter des Amateursports. Sie repräsentieren den überwältigenden Teil der fast sieben Millionen Mitglieder im größten Sportverband der Welt. Ihnen vor allem ist der Präsident verpflichtet, ohne die Stimmen der Amateure geht nichts.

Eugen Gehlenborg vertritt als einer von fünf Regionalpräsidenten den Norden. Der 67-Jährige sagt: "Die Stimmung ist natürlich nicht die allerbeste im Augenblick." Wolfgang Niersbach war auch in der Verbandszentrale an der Otto-Fleck-Schneise - zwischen Krisensitzungen und vor der Reise zum Fifa-Exekutivkomitee nach Zürich.

Der DFB-Präsident habe vor allem um Verständnis geworben, berichtet einer der Teilnehmer. Er habe versucht, Vorwürfe zu entkräften. Aber er sagte auch, wie schwierig es sei, einige Geldflüsse nachzuvollziehen. Formal könne bei der Überweisung von 6,7 Millionen Euro auf ein Konto der Fifa sogar alles mit rechten Dingen gelaufen sein. Auf dem Überweisungsträger könnte also als Verwendungszweck: "Kulturprogramm bei der WM" angegeben worden sein.

Aber was ist mit jenen 6,7 Millionen Euro passiert, die der "Spiegel" als Hauptindiz dafür sieht, dass Stimmen für die WM-Vergabe 2006 gekauft worden seien? Das Kulturprogramm hat es jedenfalls nicht gegeben, die damit zu viel gezahlte Summe wurde nie zurückgefordert.

"Die erhobenen Anschuldigungen treffen uns alle schwer. Es gibt Dinge, die nun geklärt werden müssen. Es muss eine schnelle und gründliche Untersuchung geben. Das sind wir dem Fußball schuldig", sagt Gehlenborg. "Neben externer Hilfe durch die Kanzlei Freshfields setze ich auch großes Vertrauen in die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses. Die nötige Kompetenz ist in dem Gremium vorhanden. Was schief gelaufen ist, muss aufgeklärt werden." Niersbach hatte noch am Freitag behauptet, der DFB untersuche den Vorgang seit Monaten.

Doch weder der Kontrollausschuss des Verbands, noch Freshfields waren daran beteiligt. Das behauptet jedenfalls das Fachmagazin "Juve". Die international tätige Kanzlei soll danach erst seit Kurzem mit dem Fall betraut gewesen sein. Hat Niersbach auf eigene Faust recherchiert - vorbei an allen seinen Vertrauten? Das ist schwer zu glauben, auch wenn die Mehrzahl der Präsidiumsmitglieder erst am Freitag von der internen Untersuchung erfahren haben will. Noch kann sich Niersbach der Loyalität des Präsidiums sicher sein. Doch wie lange? "Ich gehe davon aus, dass die Vorwürfe gegen den DFB zeitnah entkräftet werden können", erklärt Gehlenborg, im höchsten Verbandsgremium zuständig für Sozial- und Gesellschaftspolitik. Von Niersbach werde zeitnah Aufklärung verlangt. Am besten schon am nächsten Freitag. Dann tagt das Präsidium in Dortmund.

Derzeit ist nicht absehbar, wie es um die Leidensfähigkeit der Landesverbände bestellt ist. Es gebe keine Rücktrittsforderungen aus den Reihen der Landesverbände, beteuern Teilnehmer des Gesprächs in Frankfurt. Vielsagend hinzugefügt wird aber auch: Diese Frage müsse Niersbach für sich entscheiden.

In Erklärungsnot gerät auch sein Vorgänger. Theo Zwanziger gehört zu jenen, die lautstark Aufklärung über den Verbleib der 6,7 Millionen Euro verlangen. Dabei war er im WM-Organisationskomitee für die Finanzen zuständig und unterzeichnete die Überweisung an die Fifa. Er hat das Geld nie zurückgefordert, auch nicht in seiner Präsidentschaft von 2006 bis 2012. Aber er verspricht für das Wochenende eine umfangreiche Erklärung.

Der DFB dementiert unterdessen Medienberichte, nach denen er eine Anzeige wegen des Verdachts der Untreue gegen Zwanziger prüfe. "Das entbehrt jeder Grundlage", sagt Rainer Koch, einer der Vizepräsidenten. Der Verband weist freilich auch Zwanzigers Darstellung zurück, er habe Niersbach seit drei Jahren um Aufklärung gebeten. "Das kann schon deshalb nicht stimmen, weil der letzte persönliche Kontakt aus dem November 2013 datiert", sagt Mediendirektor Ralf Köttker der "Bild"-Zeitung, "wenn es aus der Sicht von Dr. Zwanziger etwas aufzuklären gab, dann stellt sich die Frage, warum er es nicht in seiner Amtszeit als Präsident gemacht hat."

(RP)
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