WM-Vergabe 2006 Niersbach soll vor den Sportausschuss

Dortmund/Düsseldorf · Nach wie vor ist unklar, was mit 6,7 Millionen Euro passiert ist, die der Deutsche Fußball-Bund an die Fifa überwiesen hat. Die Grünen fordern nun, dass der DFB-Präsident darüber das Bundestags-Gremium informiert.

Wolfgang Niersbach im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund
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Niersbach im Deutschen Fußballmuseum

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Foto: afp, PST ej

Wolfgang Niersbach blickt staatstragend drein. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist an diesem Tag nach Dortmund gekommen. Dort wird am Sonntag das Deutsche Fußballmuseum eröffnet. Im Protokoll seines Besuchs steht ein Rundgang durch die Ausstellung. Der 64-Jährige wird umlagert von Kameras, jede Bewegung von ihm, jeder Gesichtsausdruck wird eingefangen, als ob man daraus irgendetwas schließen könnte, was eine Antwort auf die drängendste Frage im deutschen Fußball liefert: Was ist aus den 6,7 Millionen Euro geworden, die der DFB an die Fifa überwiesen hat?

Niersbach wirkt müde, als er vor die Mikrofone tritt. Er sagt: "Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört, weil ich auch hier noch mal sage: Es hat keine schwarzen Kassen gegeben, es hat keinen Stimmenkauf gegeben." Niersbach muss allerdings auch "den einen offenen Punkt" einräumen: "Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden." Die dubiose Zahlung des WM-Organisationskomitees an den Weltverband Fifa hatte der DFB eingeräumt. Wie der "Spiegel" berichtet hatte, soll das Geld in einer "schwarzen Kasse" dazu gedient habe, Stimmen für den Zuschlag der WM 2006 in Deutschland zu bekommen. Der DFB dementiert dies. Nun hat sich die Frankfurter Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Als mögliche Tatbestände nannte eine Sprecherin Betrug, Untreue oder Korruption. Es wird geprüft, ob es einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren gibt.

War die WM 2006 in Deutschland gekauft?
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Nach eigenem Bekunden sucht der DFB in Person von Wolfgang Niersbach schon seit einer ganzen Weile nach Unterlagen, die dokumentieren könnten, was aus dem Geld geworden ist. Und warum es nie zurückgefordert wurde, obwohl das Kulturprogramm, für das es ursprünglich einmal bestimmt gewesen sein soll, nie stattgefunden hat. Der DFB-Präsident hat zur Aufklärung allerdings vorerst nicht den verbandsinternen Kontrollausschuss eingeschaltet, sondern die international renommierte Wirtschaftskanzlei Freshfields-Bruckhaus-Deringer mit Ermittlungen beauftragt. Was sich nach großem Aufklärungswillen anhört, ist allerdings nur ein untauglicher Versuch, für Transparenz zu sorgen. Die Kanzlei berät unter anderem die Bundesregierung und ist auch beim Volkswagen-Skandal als Krisenmanager eingesetzt. Mit einer unabhängigen Untersuchung hat das im Fall des DFB aber ziemlich wenig zu tun. Denn ob und welche Teile des Abschlussberichts veröffentlicht werden, entscheidet ausschließlich der DFB. Im Klartext: Der Verband wird nur herausbekommen, was er auch herausbekommen will.

Ein Interesse an einer raschen Aufklärung haben die Grünen angemeldet und bitten dazu Niersbach vor den Sportausschuss des Bundestags: "Wir werden als Fraktion den Tagesordnungspunkt ,Bericht über die Vergabe der Fußball-WM 2006' beantragen und dafür den DFB-Präsidenten als Sachverständigen laden", sagte Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen.

Sachdienliche Hinweise könnte vermutlich ein ehemaliger Strippenzieher beim DFB liefern. Doch Ex-Präsident Theo Zwanziger ist bis heute noch nicht befragt worden - obwohl er doch 2005 als Schatzmeister die Zahlung an die Fifa zusammen mit Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt angewiesen hatte. Dies verwundert schon ein wenig, weil innerhalb des DFB doch angeblich bereits seit Sommer ermittelt wird. Zwanziger weilt im Urlaub. Er verweist darauf, schon seit drei Jahren, als er nicht mehr im Amt war, Franz Beckenbauer, Niersbach und weitere Beteiligte aufgefordert zu haben, eine Kommission einzurichten, um die Geldflüsse zu prüfen. Zwanziger hatte allerdings selbst ausreichend Möglichkeiten, die Aufklärung voranzutreiben. Bis 2012 stand er an der Spitze des DFB. Er hat in dieser Zeit nichts unternommen. Er hat nicht die Justiz eingeschaltet. Er ist nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Er hat abgewartet. Nun wird von vielen gemutmaßt, Zwanziger sei der Informant des "Spiegel" gewesen, um Niersbach auf großer Bühne vorzuführen. Der könnte vor dem Sprung stehen, Präsident der Uefa zu werden. "Solche Vorwürfe sind einfach beschämend", sagt der 70-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. "Man sollte sich auf die Fakten konzentrieren. Für was wurden die Gelder verwendet?" Eine Antwort darauf gibt er nicht. "Wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, werde ich eine genaue Dokumentation des Vorgangs offenlegen. Anders geht es leider nicht mehr." Beim DFB erwägen laut Informationen der "SZ" einige, Strafanzeige gegen Zwanziger wegen Untreue zu erstatten.

Reaktionen zu den Korruptionsvorwürfen bei der Vergabe der WM 2006
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So reagiert das Netz auf die Anschuldigungen gegen den DFB
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Foto: dpa, rj_hh_lf nic

Widerspruch gegen die Recherche des "Spiegel" erhob gestern die "Bild". Nach Angaben des Boulevardblatts seien die 6,7 Millionen Euro von Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus erst 2002 an den DFB überwiesen worden. Damit hätte dieses Geld nicht für den Kauf von Funktionärs-Stimmen verwendet werden können. Die WM 2006 wurde 2000 an Deutschland vergeben. Louis-Dreyfus soll laut "Spiegel" das Geld vorgestreckt und später über die Fifa zurückbekommen haben.

(can/RP)
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