Franz Beckenbauers Gedächtnislücken "Möglich, dass ein Zauberer noch etwas herauszaubert"

Düsseldorf · Die Hoffnungen auf Aufklärung der WM-Affäre durch Franz Beckenbauer bleiben voraussichtlich unerfüllt. Auch in seinem ersten TV-Interview seit Ausbruch des Millionen-Skandals gab der Kaiser den Ahnungslosen.

 Franz Beckenbauer weiß von nichts.

Franz Beckenbauer weiß von nichts.

Foto: afp

Der Kaiser verweigert seinem niederen Fußvolk weiter jede Rechenschaft: Auch in seinem ersten TV-Interview seit Ausbruch der WM-Affäre hat Deutschlands Fußball-Ikone Franz Beckenbauer erneut den Ahnungslosen gegeben und kein Licht in Gestalt konkreter Auskünfte zu den ominösen Umständen des Zuschlages für die Ausrichtung des WM-Turniers 2006 an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gebracht. Am Dienstagabend kehrte er in seinen Job als TV-Experte zurück und meinte gewohnt locker bei Sky: "Ich habe meine Schuldigkeit getan."

Besonders frustrierend: Im Vorfeld seiner Zweitaussage bei den externen DFB-Ermittlern von der Wirtschaftskanzlei Freshfields am Dienstag zog sich der einstige WM-Chef praktisch völlig auf seine ebenso erstaunlichen wie letztlich unergiebigen Angaben aus seinem jüngsten Zeitungsinterview zurück. Ob Bestechung, schwarze Kassen, Stimmenkauf, dubiose Verträge, oder, oder, oder: "Es gibt", betonte der 70-Jährige bei seinem TV-Haussender Sky, "nichts mehr hinzuzufügen. Ich habe ein reines Gewissen." Irgendwann, sagte Beckenbauer vor der Champions-League-Partie der Bayern gegen Piräus, sei der Zauber auch mal vorbei.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sind Beckenbauers gesammelte Gedächtnislücken rund um die Hintergründe für die dubiose Millionen-Zahlung der WM-Macher von 2005 an den Weltverband FIFA natürlich zu wenig: "Alle sollten ihr Wissen offenbaren, umfassend und schnell", sagte der CDU-Politiker im SID-Interview des Monats mahnend. Die DFB-Interimspräsidenten Rainer Koch und Reinhard Rauball waren am Dienstagmittag auf SID-Anfrage zunächst nicht zu erreichen.

Die Hoffnungen der Verbandsbosse auf erhellende Erkenntnisse durch das Idol zum sogenannten "Beckenbauer-Dokument" dürften jedenfalls fast auf den Nullpunkt gesunken sein. Bei dem Schriftstück handelt es sich um eine 2000 von Beckenbauer vier Tage vor der WM-Vergabe (6. Juli 2000) unterschriebene Vereinbarung mit dem damaligen Fifa-Vorstand Jack Warner (Trinidad und Tobago) vom Kontinentalverband CONCACAF.

Zur Aufklärung der Vorgänge, meinte der Weltmeister-Kapitän und -Teamchef, "war ich der Erste, der dazu beigetragen hat, bei Freshfields auszusagen. Ich bin nicht dafür da, jeden Tag eine Pressekonferenz zu geben". Ohnehin wäre der damalige Deal auch "kein Papier Warner/Beckenbauer, sondern eine Vereinbarung zwischen dem DFB und der CONCACAF".

Im Zusammenhang mit der Abmachung mit Warner will Beckenbauer bestenfalls Ungeschicklichkeit erkennen: "Das Einzige, was mich stört, ist das Datum. Da könnte man vielleicht den Verdacht einer Bestechung oder eines Stimmenkaufes annehmen", meinte der Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft und schob die Klarstellung glich hinterher: "Was es aber natürlich nicht war."

Der gleichwohl weiterhin bestehenden Erwartung an seine Person zur Preisgabe seines Kaiser-Wissens begegnet Beckenbauer zugleich mit Unverständnis: Da die infrage stehenden Abläufe nunmehr 15 Jahre zurückliegen, "wäre das ein bisschen viel verlangt, noch zu wissen, was ich gesagt habe, was ich unterschrieben und warum".

Nicht verstehen kann Beckenbauer außerdem die durch sein Interview mit der Süddeutschen entstandene Verwunderung über seine angebliche Naivität, zahllose Dokumente und sogar auch einen persönlichen Schuldschein über zehn Millionen Schweizer Franken ohne Prüfung blanko unterschrieben zu haben: "Das hat nichts mit Naivität zu tun. Das ist meine Mentalität. Wenn ich jemandem zu 100 Prozent vertraue, bekommt der alles von mir."

Beckenbauer glaubt allerdings, eine Garantie für ausschließlich lautere Methoden beim damaligen Stimmenfang abgeben zu können: "Wenn da schwarze Kassen gewesen wären oder Bestechungsversuche - ich glaube, das hätte ich mitbekommen."

Umso höhnischer muss De Maiziere, Koch, Rauball und Co. Beckenbauers Koketterie mit seiner eigenen Ahnunglosigkeit erscheinen: "Ich habe damals so viel unterschrieben - möglich, dass ein Zauberer aus irgendeinem Papierkorb, Safe oder einem Aktenschrank noch etwas herauszaubert. Ich weiß es nicht." Wirklich glaubwürdig wirkte Beckenbauer nur in seinem Schlusswort: "Ich glaube, langsam reicht es."

(can/sid)
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