WM-Affäre Das Warten auf den Kaiser

Frankfurt/Main · Nach der Veröffentlichung des Freshfields-Berichts stehen dem DFB unruhige Zeiten bevor - viele Fragen sind noch unbeantwortet. Franz Beckenbauer schweigt.

Die Schlüsselpassagen des Berichts
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Das Warten auf den Kaiser geht weiter. Auch am Tag nach der Veröffentlichung der Freshfields-Untersuchung zur WM-Vergabe 2006 steht eine Erklärung von Franz Beckenbauer aus. Während der damalige Chef des deutschen WM-Organisationskomitees zu den umstrittenen Millionentransfers von seinem Konto über die Schweiz in Richtung Katar im Jahr 2002 schweigt, nimmt das Hauen und Stechen der ehemaligen Sommermärchen-Macher Fahrt auf. Der DFB muss sich weiter auf einschneidende Veränderungen und mögliche neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorbereiten. Kanzlerin Angela Merkel hat klare Erwartungen an die Fußball-Funktionäre.

Die DFB-Interimsführung hat noch kein konkretes Konzept für den Umgang mit den Freshfields-Ergebnissen präsentiert. Gut möglich, dass die Handlungen bald von juristischen Instanzen bestimmt werden, die zumindest das Verhalten bei der Skandalbewältigung im Vorjahr betrachten dürften. Im Streit um die Deutungshoheit über das Fehlverhalten der Entscheidungsträger zu Beginn des Jahrtausends taten sich am Samstag besonders der frühere Innenminister Otto Schily und Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger mit gegenseitigen Anschuldigungen hervor. Ex-Aufsichtsrat Schily bezichtigte den damals im WM-OK für Finanzen zuständigen Zwanziger der Lüge vor dem Kontrollgremium.

"Es ist leider so, ich habe dem Aufsichtsrat angehört, dass damals der Herr Zwanziger uns getäuscht hat über den Hintergrund einer Zahlung, die zunächst deklariert wurde als Sieben-Millionen-Zuschuss für die Fußballgala", sagte Schily am Samstag dem Deutschlandfunk.
Zwanziger ließ diese Anschuldigung nicht unbeantwortet. "Diese Behauptung von Herrn Schily, die er schon mehrfach aufgestellt hat, ist falsch. Ich habe den Aufsichtsrat nicht belogen. Auch vom Freshfields-Bericht werde ich in dieser Meinung nicht widerlegt", sagte der Jurist der Deutschen Presse-Agentur.

WM-Affäre: die Protagonisten
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Und Zwanziger legte mit einem verklausulierten Vorwurf nach: Statt gegen ihn zu polemisieren, solle sich Schily fragen, wo er am 2. Juli 2000 gewesen sei, dem Tag, als Franz Beckenbauer einen für das WM-OK kostspieligen Vertrag mit dem skandalumwitterten Ex-Fifa-Vize Jack Warner unterschrieb - laut Zwanziger im unmittelbaren Umfeld Beckenbauers.

Eines zeigen die persönlichen Scharmützel: Der 361 Seiten-Bericht der vom Deutschen Fußball-Bund beauftragten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer hat die entscheidenden Fragen um die WM-Vergabe 2006 nicht klären und die verfeindete Funktionärsriege nicht befrieden können.

Kanzlerin Merkel mahnte: "Ich hoffe nur, dass auch in der Welt des Fußballs, auch bei der Fifa, wirklich Transparenz eintritt", sagte sie in ihrem in Berlin veröffentlichten Podcast. Der Sport sei untrennbar verbunden mit Fairness. "Und wenn die dazugehörigen Organisationen das nicht widerspiegeln, dann wird es letztlich zu Enttäuschungen führen und wird auch dem Sport insgesamt schaden."

Drei Thesen stehen im Raum

Beckenbauer könnte sicherlich zu weiteren Aufklärung beitragen. Im Gegensatz zur bisherigen Darstellung des WM-Cheforganisators dokumentiert der Bericht, dass die zehn Millionen Schweizer Franken im Jahr 2002 nicht an die Finanzkommission des Fußball-Weltverbands gingen, sondern direkt an deren Vorsitzenden Mohamed bin Hammam in Katar. Der Zweck dieser Überweisungen ist aber weiterhin unklar. Vom Katarer bin Hammam ist noch weniger Erhellung der Umstände zu erwarten, wodurch derzeit drei Thesen im Raum bleiben.

  • Das Geld diente der Bestechung von Fifa-Wahlmännern.
  • Das Geld wurde von Fifa-Chef Joseph Blatter für seinen Wahlkampf im gleichen Jahr genutzt.
  • Das Geld war eine Provision für eine spätere Zuwendung der Fifa an die deutschen WM-Macher in dreistelliger Millionenhöhe.

Der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht die letzte Version durch den Freshfields-Bericht untermauert und begründete dies im Interview des Deutschlandfunks mit dem Interesse der Fifa und deren damaligen Generalsekretär Urs Linsi an den Rückzahlungsmodalitäten im Jahr 2005. Dokumentiert ist, wie das Geld vom WM-OK über ein Fifa-Konto an den Darlehensgeber Robert Louis-Dreyfus floss.

Was Grindel nicht sagt ist, dass Linsi als Blatter-Vertrauter auch ein Interesse an einer sauberen Abwicklung gehabt haben könnte, wenn das Geld zuvor seinem Chef als Wahlkampfhilfe nützlich gewesen sein könnte. Blatter wird nach einer Erholungspause erst am Montag wieder in Zürich erwartet und sich mit Kommentaren wohl zurückhalten.

Auf die Frage nach den Erwartungen des DFB an Beckenbauer antwortete Grindel eher ausweichend. "Franz Beckenbauer hat gerade in den letzten Tagen durch seine Anwälte einen erheblichen Beitrag geleistet, dass wir Geldflüsse zu bin Hammam in Katar feststellen konnten. Dafür sind wir ihm dankbar", sagte der CDU-Politiker.

Schily brach derweil sogar eine Lanze für Beckenbauer. "Dass Franz Beckenbauer in wirtschaftlichen Dingen leichtsinnig gehandelt hat, möchte ich nicht in Abrede stellen", sagte Schily. Vielleicht habe sich der Kaiser auf "Berater wie Herrn Schwan" verlassen. Die Verdienste Beckenbauers würden nicht geschmälert.

(areh/dpa)
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