Ex-DFB-Generalsekretär Schmidt wusste seit 2000 von Beckenbauer-Dokument

Frankfurt/Main · Wer wusste wann was? Ehemalige Spitzenfunktionäre haben die Existenz des "Beckenbauer-Dokuments" beim DFB 15 Jahre lang verschwiegen.

 Horst R. Schmidt.

Horst R. Schmidt.

Foto: afp, IW

Das Krisentreffen der neuen DFB-Spitze in Paris lief gerade, da räumte der frühere Spitzenfunktionär Horst R. Schmidt Ungeheuerliches ein. Der ehemalige Generalsekretär, einer der WM-Macher, hat seit 15 Jahren von dem hoch brisanten "Beckenbauer-Dokument" gewusst - unternommen hat er aber nichts, sondern die Existenz des vermeintlichen Bestechungsversuchs einfach verschwiegen. Zudem sei er nicht der einzige Mitwisser in der WM-Affäre 2006.

"Ich kann bestätigen, das Papier im Jahr 2000 gesehen zu haben. Und ich glaube auch, dass ich nicht der einzige war, der es gesehen hat", sagte Schmidt der "Bild": "Allerdings ist der ganze Vorgang 15 Jahre her, da kann ich nicht mehr exakt sagen, wie das Schreiben formuliert war."

Auch "MV" unter den Mitwissern?

Die Verschärfung des Skandals geht laut SZ auch aus Verbandsakten in den DFB-Archiven hervor. Demnach soll neben Schmidt ein Mr X., "ein weiterer, prominenter Spitzenfunktionär" schon seit August 2000 von dem dubiosen Vertragsentwurf zwischen WM-Organisationsboss Franz Beckenbauer und dem früheren Fifa-Vize Jack Warner gewusst haben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll auch der im August 2015 verstorbene Ex-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder rund einen Monat nach dem Vertragsentwurf von diesem erfahren haben.

Der frühere DFB-Schatzmeister Schmidt rückt dadurch wieder deutlicher ins Zentrum des Skandals. Aufgeklärt wurde der Vorgang damals offensichtlich nicht, am vergangenen Montag brachte das Dokument den DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach zu Fall. Die externen Skandal-Ermittlern der Anwaltskanzlei Freshfields ermitteln.

Die erheblichen Zusagen an Warner (Trinidad und Tobago), der als Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee die WM-Vergabe am 6. Juli 2000 mit entschied, wurden laut SZ aber offenbar nicht vollzogen, zumindest gebe es dafür keinen Hinweis in den Akten. Das hatte zuvor auch die neue DFB-Spitze angemerkt. Deutschland erhielt damals mit 12:11 Stimmen gegen Südafrika den Zuschlag.

"Es ist meine ganz klare Meinung, dass es nicht ausreicht, wenn ein Kopf durch einen anderen ersetzt wird, und dann läuft alles wieder ganz normal", sagte Interimspräsident Reinhard Rauball, der zusammen mit Rainer Koch Niersbachs Amtsgeschäfte übernommen hat, im ZDF-Morgenmagazin. Der Vorgang um den dubiosen Vertrag - wer wann wovon gewusst habe - werde Bestandteil der externen Untersuchung sein.

Die SZ hatte berichtet, dass Niersbach bereits seit Wochen von dem Beckenbauer-Papier gewusst haben soll. Der stellvertretende DFB-Generalsekretär Stefan Hans soll den brisanten Vertragsentwurf in den Archiven gefunden und Niersbach und Generalsekretär Helmut Sandrock informiert haben. Eine Reaktion der Beschuldigten zu den Vorwürfen blieb zunächst aus.

"Wir haben ganz klar gesagt, jetzt wird aufgeklärt", sagte Rauball, der zudem Transparenz versprach: "Die Öffentlichkeit wird informiert werden." Nach der Krisensitzung am Freitag in Paris vor dem Länderspiel der Nationalmannschaft gegen Frankreich soll es am Dienstag zur großen Runde mit den Landesverbänden kommen. Rauball, Koch und Co. trafen sich zu einer "Vorbesprechung" im Nationalmannschaftshotel Molitor in der Straße "Nungesser et Coli" im 16. Arrondissement. Es besteht Aufklärungsbedarf.

Für den Chef des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV), Karl Rothmund, hat Beckenbauer Niersbach "auf dem Gewissen". Der DFB-Präsident sei zudem am "nicht sehr professionellen Krisenmanagement" gescheitert, sagte Rothmund dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Vorwurf des Steuerstrafbestandes stehe im Raum, weil Beckenbauer einen Vertrag für einen Zweck geschlossen habe, der nicht stattgefunden habe.

Als Niersbach-Nachfolger wünscht sich der Landeschef den derzeitigen Schatzmeister Reinhard Grindel. Dieser sei "getragen von der Sympathie der Amateure", sagte Rothmund, und habe gezeigt, dass er "unvoreingenommen und unbelastet" sei. Nur "verbohrte Parteipolitiker" könnten Grindel dabei dessen CDU-Mitgliedschaft zum Vorwurf machen. Rothmund erwartet "eine breite Mehrheit" für Grindel.

(sid)
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