Triumph beim Confed Cup Löws nächste Meisterleistung

St. Petersburg · Joachim Löw hat aus einem zusammengewürfelten Haufen eine verschworene Einheit geformt. Der Bundestrainer steht vor dem WM-Jahr weiter im Zenit seines Schaffens.

Bundestrainer Joachim Löw lief nach dem Finalsieg über Chile mit einem breiten Lächeln auf den Rasen.

Bundestrainer Joachim Löw lief nach dem Finalsieg über Chile mit einem breiten Lächeln auf den Rasen.

Foto: dpa, hak

Joachim Löw schaute gespielt angewidert, als er den triefenden Goldpokal in die Hand nahm. "Oh, der klebt", sagte der Bundestrainer über die Confed-Cup-Trophäe, die der völlig losgelöste Emre Can unter wildem Bier- und Champagnergespritze vor Löw auf den Tisch gestellt hatte. Cans Geste war eine mit Symbolkraft. "Hier, Trainer", sollte sie bedeuten, "das ist auch Ihr Triumph."

Und der unerschütterliche Mittelfeldmann hatte ja recht: Der Bundestrainer hat das Tal, in das auch er nach dem "ewig unvergesslichen" WM-Coup 2014 (Löw) gestürzt war, hinter sich gelassen — und ist wieder auf dem Gipfel angekommen. Auch wenn die Mini-WM im Vergleich zum echten, großen Weltturnier nur ein Hügelchen ist.

Löw aber hat es scheinbar mühelos erklommen, obwohl er sich als Kletterpartner eine Ansammlung von Aushilfs-Sherpas und Flachlandtirolern ausgesucht hatte. Dass diese zusammengewürfelte Truppe beim 1:0 (1:0) im Finale gegen bärenstarke Chilenen phasenweise wirkte, als könne sie durch eine Lawine auf den Mount Everest stürmen, ist in erster Linie Löws Verdienst.

Grindel lobt Trainerteam

"Ein großes Kompliment an Jogi und das Trainerteam. Das war wieder einmal eine Meisterleistung", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel in St. Petersburg. Teammanager Oliver Bierhoff berichtete, Löw und dessen Stab hätten in Russland "richtig Spaß" gehabt. "Sie konnten wieder mehr coachen, Jogi war wieder mehr Fußballlehrer, richtig nah dran am Mann, konnte etwas entwickeln." Das war seit Rio nicht mehr der Fall, wo für Löw ein 2010 begonnener Zyklus mit dem Gipfelsturm geendet war.

Danach, hatte Löw beobachtet, erlebten viele seiner Weltmeister schwierige Zeiten. Manche verließ der Hunger, andere schleppten sich ausgezehrt von Höhenluft und dauernder (Über-)Belastung zur Nationalmannschaft und dort über den Rasen. Bierhoff gebrauchte dafür in Russland den Begriff des "Runternudelns". Damit, beschloss Löw in den vergangenen Monaten, müsse nun Schluss sein.

Und so machte er sich daran, eine Idee umzusetzen, die in ihm in der kniffligen Phase nach Brasilien gereift war: Mit einem jungen, hungrigen Perspektivkader zur Mini-WM zu fahren. Sein Motto: Wenn sich da nur "zwei, drei, vielleicht vier oder fünf Spieler" für den erneuten Angriff auf den höchsten Thron im Fußball-Himmel empfehlen würden, wäre das bereits ein Erfolg.

Dieser Plan ist zu hundert Prozent aufgegangen. Löw hatte in Russland nicht nur "Spaß" an seinen jungen, erfrischenden Himmelsstürmern, wie er betonte. Er erhielt den gewünschten Zuwachs an Spielerauswahl für das große Ziel, 2018 den fünften Stern für Deutschland zu holen.

Löw sammelt wichtige Erkenntnisse

Und als er am Montag um kurz vor 10 Uhr Ortszeit mit weißem Shirt und Sonnenbrille in den Flieger nach Frankfurt stieg, nahm er weitere wertvolle Erkenntnisse mit nach Hause. Dass er nach wie vor über die Gabe verfügt, aus Einzelkämpfern ein echtes Team zu formen etwa. Oder, dass die Dreier- bzw. Fünferkette mit einem Verbindungsspieler wie Leon Goretzka ein Erfolgsmodell sein kann.

Auf dem Siegerfoto hielt sich Löw dennoch im Hintergrund. Erst, als alle seine Helden ihre Hände am Pokal gehabt hatten, griff er für einen Moment zu. Die Siegersause in den Clubs der Zarenstadt überließ er den jungen Wilden, stattdessen genoss er seinen zweiten Turniersieg als Bundestrainer beim sechsten Anlauf still im Kreise seiner Vertrauten. Auch da schwärmte er von dieser "magischen" Mannschaft und der "Superstimmung" Im Team.

Diese muss Löw nun auf dem Weg zur WM aufrechterhalten — mit einem ganz anderen, von einem knappen Dutzend daheimgebliebener Weltmeister aufgehübschten Kader. Das Wort "Titelverteidigung" hat Löw ihnen verboten. "Etwas verteidigen wollen, das klingt mir zu defensiv", sagte er. Joachim Löw ist wieder im Angriffsmodus — er will zurück auf den Everest.

(sid)
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