Brasilien besiegt 1:7-Fluch "Neue Ära" in der Seleção?

Brasiliens Fußball-Nationalmannschaft hat sich komplett verändert. Zumindest im Vergleich zur 1:7-Schmach im WM-Halbfinale 2014. Der verdiente Erfolg in Berlin zeigt die Handschrift von Nationalcoach Tite. Dabei war sein Bester nicht mal dabei.

 Dani Alves und Miranda gratulieren Gabriel Jesus (M.) zum Tor.

Dani Alves und Miranda gratulieren Gabriel Jesus (M.) zum Tor.

Foto: dpa, pgr

Dieses Brasilien zählt spätestens nach der kleinen Revanche gegen den Weltmeister zu den Topfavoriten auf den WM-Titel - auch ohne Neymar. Der verletzte Superstar war beim verdienten 1:0-Sieg der Seleção in Berlin nicht mal anwesend, aber im Anschluss trotzdem Dauerthema. "Brasilien beginnt, das 1:7 zu vergessen", titelte die Zeitung "Folha de São Paulo" nach dem souveränen Erfolg gegen Deutschland. Obwohl Neymar gar nicht dabei war, als die Brasilianer im Olympiastadion eine ihrer bisher stärksten Leistungen unter Nationalcoach Tite zeigten. Oder weil er nicht dabei war?

"Die Mannschaft fühlt seine Abwesenheit", sagte Tite. "Aber wir lernen, auch ohne ihn stark zu sein und zu spielen." Und das ist vor allem Tites Verdienst. Zu einem Missverständnis sollte das aber nicht verleiten: Denn natürlich hätte der 56-Jährige den Ausnahmefußballer von Paris Saint-Germain sehr gerne im Kader für das Turnier in Russland. Es deutet derzeit auch nichts darauf hin, dass Neymar seine Fußverletzung nicht rechtzeitig auskuriert. Aber Brasilien ist längst nicht mehr so abhängig von dem 26-Jährigen und "viel disziplinierter", fand Bundestrainer Joachim Löw, als noch bei der 1:7-Schmach im WM-Halbfinale vor knapp vier Jahren.

Das Einzige, was die Seleção vom 27. März 2018 in Berlin mit der vom 8. Juli 2014 in Belo Horizonte gemein hatte, waren die gelben Trikots. Ansonsten spielte Tites Team mit einer Disziplin, die für brasilianische Verhältnisse erstaunte. Die normalerweise mehr als Außenstürmer denn als Außenverteidiger agierenden Marcelo und Dani Alves überquerten nur selten die Mittellinie. Auch im Mittelfeld und im Angriff hielten sich Philippe Coutinho, Torschütze Gabriel Jesus und Co. an die von Tite vorgegebene Ordnung. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte Coutinho. "Aber unser finales Ziel ist größer als der Sieg hier."

Denn nur der WM-Titel könnte Millionen von Brasilianern wohl endgültig das 1:7 aus ihren Köpfen verdrängen lassen. Der Druck im Land des Rekordweltmeisters ist enorm. Tite weiß das. Sollte er bei der WM in Russland mit der Seleção scheitern, wäre seine bisher herausragende Bilanz schnell vergessen. Auch Neymar wird daran gemessen werden, ob er sein Land nach dem ersehnten Gold bei Olympia nach 16 Jahren Wartezeit auch wieder zu einem WM-Titel führen kann.

Brasilien hat sich immer über seine Superstars identifiziert, auch wenn unter Tite ein vorher nur selten dominierender Teamgedanke eingekehrt ist. Vor drei, vier Jahren war Brasilien nur Neymar, das hat sich geändert.

"Egal, ob Neymar spielt oder nicht: Es werden immer alle über ihn reden", sagte Gabriel Jesus. "Und natürlich ist er wichtig, nicht nur für uns als Mannschaft, sondern auch für unseren Fußball." Denn Neymar kann den berühmten Unterschied ausmachen. Das gilt auch für die Seleção von Tite. Dabei stehe das Team von Berlin für "eine neue Ära", wie die brasilianische Sportzeitung "Lance" schrieb. Obwohl Neymar nicht dabei war.

(dpa)
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