Uruguay-Legende ist tot Alcides Ghiggia: Der das Maracana zum Schweigen brachte

Montevideo/Köln · Alcides Ghiggia, der mit seinem Siegtor im entscheidenden Spiel der WM 1950 das Maracana-Stadion zum Schweigen brachte, ist tot. Der Uruguayer starb auf den Tag genau 65 Jahre nach dem größten Moment seines Lebens.

 Alcides Ghiggia vor einem lebensgroßen Foto seines Tores im WM-Finale 1950.

Alcides Ghiggia vor einem lebensgroßen Foto seines Tores im WM-Finale 1950.

Foto: afp, pa/ia/ma

Die Stille im legendären Maracana-Stadion war gespenstisch, dann flossen die Tränen. "Es war traurig, die Menschen auf den Tribünen zu sehen. Sie weinten und waren verzweifelt", sagte Alcides Ghiggia. Dabei hatte der flinke Rechtsaußen der Uruguayer die heimischen Fans bei der Fußball-WM 1950 in Brasilien ganz alleine mitten ins Herz getroffen. Ghiggias Siegtor im entscheidenden Spiel löste ein unauslöschbares Trauma aus, auf den Tag genau 65 Jahre danach ist er gestorben.

Der "unsterbliche" Ghiggia erlag einem Herzinfarkt. Bis zu seinem Tod mit stolzen 88 Jahren hat die Uru-Legende laut der Tageszeitung El Pais in Las Piedras, rund 35 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt Montevideo, einen Supermarkt geleitet. Doch bis zum Ende seiner Tage drehte sich in seinem Leben alles um diesen 16. Juli 1950 in Rio de Janeiro, als Ghiggia Brasilien um 16.33 Uhr mit seinem Treffer zum 2:1 in einen kollektiven Schockzustand versetzte.

"Nur drei Personen in der Geschichte haben das Maracana zum Schweigen gebracht: der Papst, Frank Sinatra und ich", sagte Ghiggia voller Stolz. Als Maracanzo wird das bitterste Erlebnis neben dem 1:7 im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland in der brasilianischen Fußball-Geschichte bezeichnet - erfunden hat den Begriff Erzrivale Argentinien. Mit Ghiggia ist der letzte Spieler gestorben, der vor offiziell 173.850 Zuschauern - Schätzungen zufolge waren es 200.000 - auf dem Platz stand.

Als "die wohl größte Tragödie in der brasilianischen Gegenwartsgeschichte" hat der bekannte Anthropologe Roberto da Matta die Pleite einmal bezeichnet. "Jede Nation hat ihre unheilbare nationale Katastrophe, sowas wie Hiroshima", schrieb Schriftsteller Nelson Rodrigues: "Unser Hiroshima war Uruguay 1950." Allein diese Reaktionen machen deutlich, was Ghiggia im weltberühmten Estadio do Maracana angerichtet hat.

Bei der vierten Fußball-Weltmeisterschaft spielten die Vorrundensieger Brasilien, Uruguay, Spanien und Schweden in einer Finalphase mit dem damaligen Modus jeder gegen jeden den Titel aus. Am letzten Spieltag hätte der Selecao ein Remis zum Titel gereicht, doch einer hatte etwas dagegen. Mit einem satten Flachschuss in die kurze Ecke riss Ghiggia die damals in Weiß spielenden Brasilianer zehn Minuten vor Schluss aus allen Träumen. Die Selecao legte bald nach dem Drama ihre Unglückstrikots für immer ab, seitdem gab es in Gelb und Blau fünf WM-Titel.

Ghiggia erzielte 1950 in allen vier WM-Spielen (ein Vorrundenspiel, drei Finalrundenspiele) der Uruguayer jeweils ein Tor. Ein Kunststück, das danach nur dem Brasilianer Jairzinho (WM 1970/6 Spiele, 7 Tore) gelang. Sein Debüt im Celeste-Trikot hatte der 1,69 m kleine Außenstürmer erst rund zwei Monate vor der Endrunde gegeben.

Drei Jahre nach der WM zog es Ghiggia nach Italien zum AS Rom. Später wechselte er vom Hauptstadtklub zum AC Mailand, wo er in seiner einzigen Saison 1962 Meister wurde. Ghiggia erwarb zudem die italienische Staatsbürgerschaft und bestritt neben seinen zwölf Länderspiel-Einsätzen für Uruguay auch fünf Spiele für die Squadra Azzurra.

Seit 1962 lebte Ghiggia wieder in der Heimat. Sein Name wird auch nach dem Tod auf ewig mit der Entweihung eines Tempels verbunden sein. Entsprechend verabschiedete sich der Weltverband FIFA: "Adios, Magier des Maracanzo."

(sid)
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