Wolfsburg in der Krise Draxler ist kein de Bruyne

Gelsenkirchen · Dieter Hecking sagte nach der 0:3-Niederlage seiner Wolfsburger Spieler gegen deren Berufskollegen des Bundesligisten FC Schalke das, was man in solchen Situationen immer wieder zu hören bekommt: "Wir werden das Spiel analysieren und dann die richtigen Schlüsse ziehen." Wie es in seinem Inneren aussah nach einer erneut bis auf die ersten 20 Minuten blutleeren und uninspirierten Leistung seiner Mannschaft, ließ sich nur erahnen. Am Tag danach redete der 51-Jährige ganz offen davon, dass er "angefressen" ist.

Julian Draxlers bittere Rückkehr nach Schalke
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Draxlers bittere Rückkehr nach Schalke

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Seit seinem Dienstantritt im Januar 2013 hatte er aus einem Abstiegskandidaten ein deutsches Spitzenteam geformt, das in der Champions League spielt und den DFB-Pokal gewann. Vor Saisonbeginn fühlte sich der VW-Klub als Mitfavorit. Nach sieben sieglosen Spielen in der Bundesliga steht Hecking nun vor einer großen Herausforderung. "Die Mannschaft spielt derzeit nicht wie eine Mannschaft. Ein negatives Erlebnis reicht, um das ganze Gefüge ins Wanken zu bringen", erklärte der ehemalige Profi nach dem Schalke-Spiel. "Ich weiß, an welchen Schrauben ich drehen muss", ergänzte er gestern.

Welche Schlüsse der Fußballlehrer gezogen hatte, spürten seine Spieler. Statt des üblichen Auslaufens gab es eine rund 100 Minuten dauernde Übungseinheit, die mit Sprintübungen endete. Der für heute vorgesehene freie Tag wurde gestrichen. Hecking sprach von einem sehr sportlichen Training, das sonst so nicht auf dem Plan stehe. Oft nennt man das auch Straftraining.

FC Schalke 04: Alessandro Schöpf erzielt erstes Bundesliga-Tor
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Schalkes Schöpf erzielt erstes Bundesliga-Tor

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Der Lattentreffer von Daniel Caliguiri nach 20 Minuten war in der Schalker Arena nicht der Auftakt zu einer guten Leistung. Als Klaas-Jan Huntelaar und Johannes Geis die Gastgeber vor der Pause in Führung geschossen hatten, blieb die Reaktion der Gäste aus. Schalkes Trainer Andre Breitenreiter, vor zwei Spielen noch in Frage gestellt, konnte entspannt zusehen, wie seine Spieler einen direkten Rivalen locker im Griff hatten und durch den in der Winterpause vom 1. FC Nürnberg verpflichteten Alessandro Schöpf kurz vor Spielschluss auf 3:0 erhöhten. "Es war ein fantastisches Spiel", betonte Breitenreiter nach dem Erfolg über einen Großen der Liga.

Das war übertrieben, traf auch nicht auf die Wolfsburger zu, die fast alles schuldig geblieben waren. Julian Draxler, beim Wolfsburger 3:0-Erfolg im Hinspiel noch im Schalker Trikot, ging unter wie seine neuen Teamkollegen. "Er kann es sicherlich besser", urteilte Hecking. Pfiffe bei jeder Ballberührung, Applaus bei Fehlpässen - Draxler, im September nach 14 Jahren "auf Schalke" für 35 Millionen Euro zu den "Wölfen" gewechselt, hatte damit gerechnet. "Da hat einer freiwillig die Familie verlassen. Das kommt nicht so gut an. Da müssen Emotionen raus. Damit muss man als Spieler, der in der Öffentlichkeit steht, auch zurechtkommen", sagte Schalkes Manager Horst Heldt.

Dass alles in einem halbwegs vernünftigen Rahmen blieb, lag auch an Draxler. Der 22-Jährige konnte das Spiel der Wolfsburger nicht lenken. Einer wie der Belgier Kevin de Bruyne, im Herbst für 75 Millionen Euro zu Manchester City transferiert, wird schmerzlich vermisst. Am Samstag gegen den unangenehmen Aufsteiger aus Ingolstadt wartet die nächste Prüfung. "Wir werden sehen, wer unter Druck seine Leistung abrufen kann. Auf diesem Weg wird man auch den einen oder anderen Spieler verlieren", meinte Wolfsburgs Sportdirektor Klaus Allofs. Im Kampf um einen Platz im europäischen Fußball, vor Saisonbeginn das Minimalziel, droht die schlechteste Auswärtsmannschaft der Liga den Anschluss zu verlieren.

Zuversicht und Selbstvertrauen dagegen bei den Königsblauen. "Wir gehen unseren Weg", sagte Trainer Breitenreiter nach zwei Siegen sichtlich entspannt.

(RP)
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