Kolumne: Gegenpressing Draxler passt gut ins Geschäft

Julian Draxler will mal wieder aus einem Vertrag aussteigen. Aber der VfL Wolfsburg lässt ihn wohl nicht. Der Fußball muss sich nicht wundern, wenn die Fans langsam genug haben von der allgemeinen Heuchelei.

 RP-Sportchef Robert Peters

RP-Sportchef Robert Peters

Foto: Peters

Eigentlich hätte Julian Draxler (22) heute eine gesicherte Zukunft vor sich. Wenn es nach Verträgen ginge im Profifußball, dann lägen vor dem Nationalspieler in diesem verregneten Sommer noch (mindestens) zwei Jahre in der Schalker Heimat. Vor drei Jahren nämlich verlängerte er unter großem Getöse seinen Kontrakt in Gelsenkirchen bis ins Jahr 2018. Die Schalker ließen hocherfreut ein paar Kleinlaster durch die Gegend fahren, auf denen ein großes Foto von Julian Draxler feierlich auf die Menge blickt. Auf den Lastern stand: "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018."

Es kam etwas dazwischen. Geld vor allem. Vergangenes Jahr zog Draxler in ein kleines Großstädtchen in Niedersachsen, unmittelbar vor die berühmte Autostadt von VW. Stolz und leidenschaftlich blickte der Fußballer auf die Transfersumme, denn Wolfsburg hatte zwischen 33 und 37 Millionen Euro überwiesen. So genau weiß das niemand mehr, es ist auch nicht so wichtig, weil Fußballer ja gern beteuern, dass es ihnen um sportliche Weiterentwicklung gehe. In Wolfsburg wurde ein Vertrag bis 2020 geschlossen. Daran erinnert sich in diesen Tagen allerdings nur noch der eine Vertragspartner, der Verein.

Der andere Vertragspartner, Julian Draxler, ist längst mit großer Leidenschaft auf der Suche nach neuen sportlichen Herausforderungen. Es heißt, die lägen in Turin bei Juventus oder in London, bei Arsenal. Ist aber auch nicht so wichtig, denn letzten Endes geht es auch hier um die ganz große Kohle.

Draxler behauptet, die Wolfsburger hätten ihm zugesagt, bei entsprechenden Angeboten wechseln zu dürfen. Die Wolfsburger sagen, davon könne keine Rede sein. Draxler hat daraufhin die "Bildzeitung" in die Verhandlungen eingeschaltet.

Das war doof. Denn nun waren die Wolfsburger herausgefordert, ihre Sicht der Dinge sehr öffentlich auszubreiten. Und sie wiesen den Spieler ausdrücklich darauf hin, dass er seinen Vertrag studieren und seiner beruflichen Pflicht nachzukommen habe. Sogar VW-Vorstand Garcia Sanz soll dem Fußballer eine kleine Nachhilfestunde in Vertragsrecht gegeben haben.

Draxler steht nun als ein besonders abgebrühtes Exemplar der Gattung Söldner in der Öffentlichkeit. Das hat er entweder sich selbst oder seinen Beratern zuzuschreiben. Das ist aber auch nicht so wichtig. Denn die ganze Truppe steht für die Geschäftspraxis im Fußball.

Die Vereine, die sich mit Recht über die eiskalte Karriereplanung der Fußballer beklagen, sollten ebenfalls nicht zu lautstark und moralinsauer den Niedergang der Werte bejammern. Sie haben ihre Traditionspflege Agenturen anvertraut, die wiederum mit liebenswerten Bildern die Fußballer Vereinstreue, "echte Liebe" wie in Dortmund"Stolz und Leidenschaft" auf Schalke oder "Wolfsburger mit jeder Faser" heucheln lassen. Nicht nur im Fall Draxler geht so ein Schuss nach hinten los. Die beschworenen Werte sind längst Teil des Vermarktungskonzepts und weiter ohne Inhalt. Allenfalls für Teile der Anhängerschaft spielen sie eine Rolle. Und jene, die sich noch in echter Liebe an ihren Verein gebunden fühlen, werden von Fußballern und Fußball-Unternehmen in ihrem Stolz und ihrer Leidenschaft ausgebeutet.

Zum Glück merken das viele. Das verdanken sie auch Julian Draxler.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort