Wilhelmshaven zwingt Fifa in die Knie David schlägt Goliath

Karlsruhe/Düsseldorf · Der SV Wilhelmshaven hat sich acht Jahre lang gegen ein Urteil des Weltverbands Fifa gewehrt - und nun vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe Recht bekommen. Viele Sportverbände müssen ihre Satzungen ändern.

Chronologie des Falls SV Wilhelmshaven gegen die Fifa
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Foto: dpa, sar nic fux

Als der kleine SV Wilhelmshaven nach acht langen Jahren und zähen juristischen Auseinandersetzungen gegen die große Fifa gewonnen hatte, musste der Vorstandsvorsitzende Hans Herrnberger erst einmal tief durchatmen. "Es ist ein wunderbares und befreiendes Gefühl", sagte der Funktionär des niedersächsischen Bezirksligisten (siebte Liga) nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). "Hier hat wirklich David gegen Goliath gewonnen. Wir haben wieder eine Zukunft."

Wie die Karlsruher Richter feststellten, war der nach der Saison 2013/14 vollstreckte Zwangsabstieg des damaligen Regionalligisten rechtswidrig. Nach dem auch für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) richtungsweisenden und folgenreichen Urteil verlangt der Klub nun die Wiedereingliederung in die Regionalliga zur Saison 2017/18 und finanzielle Entschädigungen in siebenstelliger Höhe. Die Rede ist von vier bis fünf Millionen Euro.

"Man wollte uns kleinmachen und hat nicht mit unserer Hartnäckigkeit gerechnet. Wir sind stolz darauf, gegen die Fifa und den DFB Recht bekommen zu haben", sagte Herrnberger. "Wir wünschen uns jetzt, dass der DFB kurzfristig auf uns zukommt und wir eine faire Lösung für uns finden." Der für Rechts- und Satzungsfragen zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch will zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und sorgfältig analysieren. Es gelte dann sehr schnell zu klären, "was zu tun ist, um den Verpflichtungen als deutscher Fußball gegenüber der Fifa und den anderen weltweiten Fußballorganisationen auch weiterhin nachkommen zu können und dem international gültigen Spieler-Transferrecht auch in Deutschland zur Durchsetzung zu verhelfen", sagte Koch. Die Fifa wollte das Urteil nicht kommentieren. "Wir müssen zunächst die Begründung für die Entscheidung analysieren, wenn sie uns vorliegt", sagte ein Verbandssprecher.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits seit 2008 war die Weigerung des Klubs, für den früheren argentinischen Spieler Sergio Sagarzazu, der auch den italienischen Pass besitzt, eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von insgesamt 157.500 Euro an zwei vorherige Vereine des Südamerikaners zu zahlen. Derlei Geldtransfers und Strafen bei Nichteinhaltung sehen die Bestimmungen der Fifa und auch des DFB vor - nicht aber die des Norddeutschen Fußball-Verbandes. Wilhelmshaven ist nur im NFV Mitglied. Damit fehlt laut BGH die rechtliche Grundlage, um den Klub mit einem Zwangsabstieg zu bestrafen.

Der Fall dürfte weitreichende Folgen auch für andere Sportverbände haben. "Das internationale Verbandsrecht ist eine große Schwachstelle", sagt der Düsseldorfer Sportanwalt Paul Lambertz. "Es darf natürlich nicht sein, dass durch Vorgaben von Verbänden nationales Recht gebrochen wird. Es ist nicht möglich, sich immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen." Der Fifa war es bislang schlichtweg egal. Der Weltverband hat nie bestritten, dass seine Paragrafen gegen Recht verstoßen. Ihre Position ist: Ein internationaler Verband könne nicht die Gesetze von zweihundert Ländern berücksichtigen. Die Regeln müssten eben für alle gelten.

Im Fall des SV Wilhelmshaven hat das Gericht nicht mehr entschieden, als es musste. Es ist also nur klar, dass die Verbände ihre Statuten anpassen werden. Ungeklärt ist, ob die Ausbildungsentschädigung tatsächlich in diesem Umfang zulässig ist. Für einen Regionalligisten, wie es Wilhelmshaven damals war, sind 157.000 Euro schon eine monströse Summe. Der DFB will schnell reagieren. "Ohne einheitliche, nachvollziehbare und verbindliche Regelungen ist ein rechtssicherer Spielbetrieb nicht möglich", sagte Koch. "Gegebenenfalls notwendige Satzungsänderungen müssten umgehend auf den Weg gebracht werden."

Der SV Wilhelmshaven hat ganz schön was ins Rollen gebracht und feierte seinen Sieg entsprechend. "Wir werden heute ein Gläschen Sekt trinken - vielleicht auch zwei", sagte Herrnberger. Und lachte.

(RP)
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