"Wir sind durch die Hölle gegangen" Das Wunder von Sandhausen

Paderborn · Der kleine SV Sandhausen verblüfft alle im deutschen Fußball. Das sensationelle 6:0 beim SC Paderborn war der vorläufige Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte, die beinahe niemals hätte geschrieben werden können.

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Paderborn - Sandhausen

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Am Morgen danach konnten sie es immer noch nicht glauben - deshalb half nur ein Blick in den Videotext. Auf Seite 276 stand es in den Vereinsfarben weiß auf schwarz: Paderborn gegen Sandhausen 0:6! "Was dort passiert ist, ist unfassbar", sagte SVS-Präsident Jürgen Machmeier dem SID, und Geschäftsführer Otmar Schork assistierte: "Wir reiben uns immer noch alle die Augen und sind total verwundert."

Der kleine Zweitligist SV Sandhausen verblüfft alle im deutschen Fußball - sogar sich selbst. Er hat weniger als 6000 Zuschauer im Schnitt, er hat weniger als 800 Mitglieder, "das Dorf", wie Machmeier den Sitz seines Immobilien-Unternehmens liebevoll nennt, hat weniger als 15.000 Einwohner.

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Sandhausen - Union

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Der Etat "ist der kleinste der Liga", sagt Machmeier nicht ohne Stolz - und der Deutsche Fußball-Bund hat wegen Lizenzvergehen für die vergangene und die laufende Saison insgesamt sechs Punkte abgezogen. Doch woher kommt dann die sensationelle Bilanz? Vier Pflichtspiele, vier Siege, insgesamt 10:3 Tore gegen Union Berlin (4:3) und Paderborn.

"Es ist auch eine Trotzreaktion", sagt Machmeier. "Nach dem Punktabzug sind wir psychisch durch die Hölle gegangen! Wir waren nach einem 4:0 bei RB Leipzig faktisch schon gerettet, dann kam die Hiobsbotschaft. Es war brutal." Erfolgstrainer Alois Schwartz nennt die Nachricht heute noch "ein Riesenbrett vor den Kopf". Das Einreichen der unvollständigen Finanzierungsunterlagen hat Machmeier auf seine Kappe genommen, Sandhausen rettete sich trotzdem. Erneut.

Nun mischt der SVS die Liga auf - es ist maximaler Erfolg mit minimalen Mitteln. "Am wichtigsten ist das Herzblut. Wir sind und bleiben ein Dorfverein", sagt Machmeier, der in Personalunion Oberhaupt, größter Geldgeber und Seele des Klubs ist. Er achtet besonders darauf, keine "absurden Gehälter" zu zahlen: "Bei uns kommt sicher niemand im Lamborghini zum Training." Der Verein lebe von Talenten, "die wir halt irgendwo aufstöbern".

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Das gelingt seit Jahren ganz hervorragend. Torjäger Andrew Wooten (25) zum Beispiel geht in Sandhausen den nächsten Schritt, beim SC Paderborn traf er doppelt. Schwartz empfiehlt sich auch für höhere Aufgaben. Der Kader lässt sich einfach beschreiben: deutsch, talentiert, mit vielen Spielern aus den unteren Ligen. "Wir haben viel richtig gemacht", sagt Machmeier.

Doch beinahe hätte es das "Wunder von Sandhausen", den Marsch von der Oberliga in die 2. Liga, niemals gegeben. Es war 2005, als Dietmar Hopp und 1899 Hoffenheim intensiv die Fühler ausstreckten, Hopps Vision war ein "FC Heidelberg 06" - in dem der SV Sandhausen aufgehen, quasi verschwinden sollte.

Die Zuschauertabelle der 2. Bundesliga 2015/16
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Foto: dpa, Roland Weihrauch

"Wir sollten das Farmteam sein, die U23", berichtet Geschäftsführer Schork im SID-Gespräch. "Da haben wir uns entschieden, die Eigenständigkeit zu behalten." Eine mutige Entscheidung - und im Rückblick die absolut richtige. "Wir wollten nicht nur irgendein Zweit-Team sein", erzählt Machmeier: "Unsere Entwicklung seitdem hätte sich aber niemand träumen lassen."

Nun wollen sie ihren Erfolg genießen, bevor er wieder vorbei ist.

(sid)
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