Freiburg-Trainer fordert nach Aufstieg Respekt "Haut ab, die spielen noch gegen den Abstieg"

Düsseldorf · Als Christian Streich mit seiner Analyse des Spiels beim SC Paderborn fertig war und gerade sein Paderborner Kollege Rene Müller etwas sagen wollte, passierte das, was nach einem Aufstieg bei Pressekonferenzen immer passiert: Die Freiburger Aufsteiger stürmten das Podest im Presseraum und überschütteten ihren Trainer mit Bier. Und was machte Streich? Er schickte seine Spieler wieder raus – aus Respekt vor dem Gegner.

So feiert der FC Freiburg den Aufstieg
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Foto: dpa, pse

Als Christian Streich mit seiner Analyse des Spiels beim SC Paderborn fertig war und gerade sein Paderborner Kollege Rene Müller etwas sagen wollte, passierte das, was nach einem Aufstieg bei Pressekonferenzen immer passiert: Die Freiburger Aufsteiger stürmten das Podest im Presseraum und überschütteten ihren Trainer mit Bier. Und was machte Streich? Er schickte seine Spieler wieder raus — aus Respekt vor dem Gegner.

"Ich wünsche Paderborn alles, alles Gute. Es tut mir leid, dass heute nicht zwei Mannschaften gewinnen konnten" — mit diesen Worten beendete Streich seine Analyse zum Spiel, durch das der SC Freiburg den direkten Wiederaufstieg perfekt gemacht hat. Sachlich, ruhig, unaufgeregt. Typisch Streich eben.

Dann wird die Pressekonferenz von den Freiburger Feierbiestern gestört. Mehrere Spieler kündigen ihren Auftritt mit lautem Gesang, nein, Gegröle, an. Paderborns Trainer Müller schaut kurz ein wenig finster in Richtung der Feiernden, um dann gemeinsam mit Pressesprecher Matthias Hack fluchtartig den Platz auf dem Podium zu räumen. Den Paderbornern ist in diesem Moment nicht zum Feiern zumute, nachdem sie durch die Niederlage auf den letzten Tabellenplatz rutschten. Vielleicht wollen sie auch einfach nicht nass werden.

Plötzlich stehen zwölf Freiburger Spieler hinter ihrem Trainer und überschütten Streich mit Sekt und Bier. Streich versucht, seine Mannen zu bremsen, indem er väterlich den Arm nach hinten streckt. Keine Chance, seine Spieler sind in Aufstiegs-Ekstase. Nach dem gescheiterten Versuch wischt sich Streich durch das nasse Gesicht und die Haare, um einen neuen Anlauf zu nehmen. Wieder nichts. Dann stimmen die Spieler den Klassiker "Nie mehr, 2. Liga" an. Streich lässt sie feiern. Allerdings nur kurz. "Und jetzt haut ab. Der andere Trainer muss noch was sagen, die kämpfen gegen den Abstieg", sagt Streich ruhig, aber bestimmt. "Geht raus", fordert der Trainer seine Spieler auf. Und Streichs mahnende Worte finden bei den Spielern Gehör. Sofort verstummen alle Gesänge, die Akteure verlassen wortlos die Tribüne. Ein Spieler nimmt noch eine Flasche Cola mit, dann ist das Intermezzo vorbei.

Streich sitzt mit klatschnassen Haaren und Trainingsjacke wie ein begossener Pudel auf seinem Platz. "Freunde, es tut mir leid. Alles kann ich nicht machen", sagt er in Richtung der Paderborner, die wieder ihre Plätze auf dem Podest einnehmen. "Entschuldigung", sagt Streich noch einmal und legt Hack dabei die Hand an den Arm. Hack schiebt eine leere Flasche Champagner beiseite und sagt: "Das muss unseren Gästen aus Freiburg nicht leid tun. Wir freuen uns ja ein Stück weit mit." Dann erklärt Müller seine plötzliche Flucht: "Ich bitte um Verständnis, dass ich eben kurz rausgegangen bin. Das ist dann ein Moment, den ich dem Christian gönne und den er für sich genießen soll, bevor ich hier noch eine Ladung Bier abbekomme." Streichs Antwort: "Danke, sehr nett."

Im Netz wird die respektvolle Art Streichs auf allen Kanälen gefeiert, sowohl bei Twitter als auch bei Facebook. Das Fußballmagazin "Fums" teilte das Video bei Facebook, mehr als 285.000 Mal wurde es bis Samstagmorgen abgerufen. Die Kommentare sind durch die Bank positiv. Einige Beispiele: "Der Streich ist echt ein klasse Typ — gibt nicht viele die so reagiert hätten"; "Christian Streich ist wohl der empathischste Trainer im Profibereich. Sensationall wie er mit Erfolg aber auch Misserfolgen umgeht. Demut und eine klare Bewertung — auch von wichtigeren Themen als dem Profifußball — sind sein Handwerkszeug. Klasse Typ!"; "Christian Streich, absolut geiler Typ."

Nach dem Abstieg aus der Bundesliga hielt Freiburg an Streich fest — eine gute Entscheidung. Der Ur-Bade, dessen Dialekt unverkennbar ist, ist seit 2011 für die Profimannschaft des SC Freiburg verantwortlich. Sein Vorteil: Er bekommt in Freiburg die Ruhe, die er zum Arbeiten mit der Mannschaft benötigt. Und die Rückendeckung des Klubs ist ihm sicher.

Man nimmt es Streich ab, wenn er seine Spieler nach dem Aufstieg zu einem respektvollen Umgang mit dem Gegner aufruft. Man nimmt es ihm ab, wenn er auf einer Pressekonferenz einen emotionalen Appell an Deutschland im Hinblick auf die Flüchtlings-Problematik richtet. Streich ist einer der Typen, die die Bundesliga bereichern werden.

Deshalb ist es gut, dass Freiburg in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga spielt.

(seeg)
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