Rassismus bleibt aktuell Die hässliche Seite des Fußballs

Düsseldorf · Seit Jahren kämpft die Europäische Fußball Union gegen Rassismus - mit Werbetafeln, einem Videofilm und choreographierten Ansagen. Doch am Wochenende gab es wieder zwei Vorfälle. Auf den Rängen und auf dem Rasen.

Rassismus: Die hässliche Seite des Fußballs
Foto: imago

Kevin Prince Boateng hatte so eine Vorahnung. Im Dezember erhielt der Fußballprofi den Sonderpreis der "1Live Krone" - für sein Engagement gegen Rassismus. Und Boateng teilte mit: "Ich freue mich, den Preis entgegenzunehmen und den Kampf fortzusetzen!" Nun, nur wenige Wochen später, sieht sich der 30-Jährige schon wieder gezwungen, Flagge zu zeigen. "Genug ist genug!!!", schrieb Boateng bei Twitter. "Ich stehe an deiner Seite, Blaise Matuidi, wir müssen stark bleiben und Rassismus JETZT bekämpfen!!!"

Der französische Nationalspieler von Juventus Turin wurde während des Auswärtsspiels bei Cagliari Calcio in der italienischen Liga wiederholt von gegnerischen Fans rassistisch beleidigt. Es war nicht der einzige Fall am vergangenen Wochenende. Dass der englische Verband FA auch gegen den Liverpooler Stürmer Roberto Firmino wegen Rassismus-Vorwürfen ermittelt, zeigt, dass die Aktionen der Europäischen Fußball Union (Uefa) gegen jegliche Art der Diskriminierung in weiten Teilen ihre Wirkung verfehlen. Sie reichen allem Anschein nach nicht einmal bis in die Kabinen der Vereine.

Im eigentlich gar nicht aufgeheizten Pokal-Derby zwischen Liverpool und Everton ("Friendly Derby") kommt es zum Gerangel zwischen dem Brasilianer Firmino und dem Engländer Mason Holgate, beide dunkelhäutig. Dabei fallen Worte, die dem Vernehmen nach alles andere als jugendfrei sind. Holgate versichert dem Schiedsrichter, dass dabei auch rassistische Bemerkungen gefallen sein sollen. "Die FA kann bestätigen", heißt es in einem Statement des englischen Fußballverbandes, "dass Schiedsrichter Bobby Madley von der Anschuldigung erfahren und diese der FA, die das nun überprüft, gemeldet hat." Liverpool-Coach Jürgen Klopp sagte nur: "Ich habe irgendwas gehört, aber ich kann bis dato nichts dazu sagen."

Firmino, früher in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim aktiv, spielt für die brasilianische Nationalmannschaft. Sein Kapitän ist Neymar. Der teuerste Fußballspieler der Welt grüßt nahezu wöchentlich von den großen Videoleinwänden in den großen Stadien. Bei europäischen Wettbewerben lässt die Uefa an jedem Spieltag einen Film ablaufen, in dem die Größen der Fußballwelt in ihrer Landessprache mit ernster Miene den Satz "Nein zu Rassismus!" in die Kamera sprechen. Der Spot ist Teil einer großen Kampagne, mit der der Verband seine Abneigung gegenüber Diskriminierung zum Ausdruck bringen möchte. Bis zu Firmino scheinen diese Worte nicht oder zumindest nicht richtig durchgedrungen zu sein. Was bringen solche Botschaften? Ist es nur, um das schlechte Gewissen der Verbände zu beruhigen, wenigstens etwas zu tun?

Boateng betont, dass die Aktionen der Uefa ohnehin nicht ausreichen. Im Interview mit dem Jugendmagazin "Jetzt" im vergangenen November fordert der in Berlin geborene Deutsch-Ghanaer zusätzliche Kamera-Überwachung für die Tribünen, um Täter ermitteln und bestrafen zu können. "Wir müssen das doch für unsere Kinder angehen, für die Zukunft. Dass ein Fünfjähriger ins Stadion kommt und rassistische Plakate sieht: Das darf nicht sein. Der darf im Stadion auch nicht neben jemandem sitzen, der 'du Neger' sagt, 'du scheiß Türke', 'du scheiß Araber' oder 'du scheiß Chinese'. Wenn wir das heutzutage immer noch zulassen, dann ist das unsere Schuld. Deshalb tue ich alles dafür, das zu ändern. Aber ich kann das nicht alleine. Da müssen sich die Verbände und die Ligen zusammentun."

2013, im Trikot des AC Mailand, setzt Boateng ein Zeichen: Beim Pokalspiel gegen einen Viertligisten wird der frühere ghanaische Nationalspieler von den Rängen immer wieder beleidigt. In der 26. Minute fällt Boateng die Entscheidung, das Spiel eigenmächtig zu unterbrechen. Seine Mitspieler zeigen sich solidarisch und folgen ihm in die Kabine. Seitdem ist der heutige Frankfurter Profi eine Galionsfigur im Kampf gegen Rassismus im Fußball.

(RP)
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