Wiedersehen der Weltmeister Matthäus von Brehme enttäuscht: "Fühlen uns im Stich gelassen"

25 Jahre nach ihrem Triumph in Rom waren die Weltmeister von 1990 in Kaltern/Südtirol wieder vereint. Finaltorschütze Andreas Brehme wurde jedoch schmerzlich vermisst.

Fußball-Weltmeisterschaft 1990: DFB-Weltmeister feiern Wiedersehen
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Weltmeister von 1990 feiern Wiedersehen in Südtirol

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Auch auf den Tag genau 25 Jahre nach der magischen Nacht von Rom verlangte es den "Kaiser" nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Die letzten Takte der unvergesslichen WM-Hymne "Un'estate italiana" waren gerade verklungen, als Franz Beckenbauer seine Weltmeister kurz nach Mitternacht wie am 8. Juli 1990 alleine ließ. War er im Römer Olympiastadion noch gedankenverloren über den Rasen geschlendert, zog es ihn beim Wiedersehen der WM-Helden in Kaltern/Südtirol einfach nur ins Bett.

"Gestern Weinprobe, heute Früh Weinprobe, heute Mittag Weinprobe - mir reicht's jetzt", sagte der damalige Teamchef schmunzelnd, ehe er im noblen Hotel Seeleiten am Kalterer See auf sein Zimmer ging. Seine "Jungs" bewiesen da wesentlich mehr Stehvermögen und feierten ihr Silberjubiläum mit dem goldenen Pokal angeführt von den Stimmungskanonen Pierre Littbarski und Sepp Maier mit Weißburgunder, Bier und Zigarren bis tief in die Nacht.

Immerhin 15 der 22 Spieler, die im Finale gegen Argentinien (1:0) den dritten Stern für Deutschland errungen hatten, waren dem Ruf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gefolgt. Dorthin, wo im Trainingslager "der Grundstein für den Titel gelegt" wurde, wie sich Kapitän Lothar Matthäus "mit ein bisschen Wasser in den Augen" erinnerte. Schmerzlich vermisst wurde neben US-Nationalcoach Jürgen Klinsmann, der mit Berti Vogts aus Dallas per SMS grüßte, vor allem Andreas Brehme.

WM 1990: Das machen die Weltmeister heute
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Das ist aus den WM-Helden von 1990 geworden

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Der Finaltorschütze sagte für das dreitägige Wiedersehen mit dem Gala-Dinner am Mittwochabend angeblich nicht einmal ab. Bodo Illgner und Olaf Thon mussten aufgrund von Krankheiten ihre Teilnahme absagen. Jürgen Kohler fehlte wegen einer terminlichen Verhinderung, während Karl-Heinz Riedle mit Borussia Dortmund als Botschafter durch Asien reist.

Er habe nach einem Telefonat mit Brehme vor wenigen Tagen "nichts mehr von ihm gehört", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der Brehmes Fehlen "schade" fand. Drastischer wurde Matthäus. Er könne Brehme schlicht nicht verstehen, sagte er, "wir fühlen uns im Stich gelassen". Brehme seinerseits konnte am Donnerstag "die Aufregung nicht verstehen". Der DFB habe über seine terminlichen Verpflichtungen Bescheid gewusst, sagte Brehme dem Nachrichtenportal web.de. Der 54-Jährige baut derzeit im ägyptischen Hurghada eine Fußballschule auf.

In Brehmes Abwesenheit verwies Rekordnationalspieler Matthäus auf den legendären Mannschaftsgeist der Weltmeister von 1990, den viele noch heute als Schlüssel für den Triumph ansehen. "Wir hatten einen enormen Teamspirit und keinen einzigen Stinkstiefel dabei, dafür muss ich mich noch einmal bei allen bedanken", sagte Matthäus.

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Niersbach, 1990 noch Pressesprecher, gab das Lob umgehend zurück. "Lothar, du warst ein großartiger Kapitän", sagte er, und erhielt Applaus von den anderen Stars. Der brandete erneut auf, als Matthäus um 21.55 Uhr wie vor 25 Jahren den WM-Pokal in die Höhe stemmte - diesmal war es die Originalkopie, die sonst in Frankfurt/Main in der DFB-Zentrale steht. Der Spielführer reichte den Cup im Hotelgarten an Rudi Völler und Co. weiter, und so bekam auch Thomas Häßler unter dem Gejohle der Kollegen und mit 25-jähriger Verspätung endlich eine Hand an den Pokal; 1990 hatte "Icke" das gute Stück im Jubelrausch aus den Augen verloren.

Überhaupt blühte in Kaltern der Flachs. Niersbach und Matthäus moderierten den Gala-Abend im Original-Trainingsoutfit an. "Wir waren nicht nur die beste, wir waren auch die am besten angezogene Mannschaft", sagte der Kapitän lachend. Beckenbauer erinnerte sich an das "grauenhafte Gegröle" seiner Spieler bei den Aufnahmen der WM-Schallplatte mit Udo Jürgens, und der Tisch um "WM-Küken" Stefan Reuter - mit 23 damals der Jüngste - beschwerte sich bei Niersbach noch einmal über die mickrige Titelprämie von "100 Euro".

"Wenn wir uns an damals erinnern, kommt immer wieder Gänsehaut", sagte Reuter mit strahlenden Augen, "es ist wunderschön, dass sich der Kreis immer wieder trifft." Auch, wenn nicht immer alle kommen (können).

(sid)
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