WM-Qualifikation 2018 Löws Ziel sind zehn Siege aus zehn Spielen

Belfast · Auch wenn etliche Spieler gegen Nordirland und Aserbaidschan fehlen, will der Bundestrainer die WM-Qualifikation ohne Verlustpunkt überstehen. Die Entwicklung im Vereinsfußball gibt "Anlass zum Nachdenken".

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Foto: dpa, scg htf jhe

Man muss sich nur mal vorstellen, dass im Herbst 2006 die Herren Jens Lehmann, Michael Ballack, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose, Lukas Podolski und Philipp Lahm vor einem Pflichtspiel den Bundestrainer angerufen hätten. "Es zwickt hier, es zwickt da, Trainer", hätten sie gesagt und darum gebeten, bei diesem Pflichtspiel lieber nicht mitwirken zu müssen. Joachim Löw hätte vermutlich einen rekordverdächtigen Anfall von Herzrasen erlitten und wäre auf der Stelle seinem früheren Chef Jürgen Klinsmann ins kalifornische Exil gefolgt. So ein Schlag ins personelle Kontor sei "schon auch eine Katastrophe für den deutschen Fußball, klar", hätte Löw noch gesagt, bevor er ins Flugzeug in die USA geklettert wäre.

2017 muss er in den abschließenden WM-Qualifikationsspielen in Nordirland und gegen Aserbaidschan unter anderem auf Manuel Neuer, Mesut Özil, Sami Khedira, Mario Gomez, Timo Werner und Jonas Hector verzichten. Aber von Katastrophenstimmung kann keine Rede sein. Ungerührt hält Löw vor dem Spitzenspiel in Belfast gegen Nordirland (20.45 Uhr/Live-Ticker) an seinem Ziel fest. "Wir wollen zehn Siege in zehn Spielen", hat der Bundestrainer vor dem Abflug nach Belfast erklärt. Gestern relativiert er das ein wenig, vielleicht, weil er ein höflicher Mensch ist und das Mannschaftshotel rein äußerlich bereits zu Bescheidenheit anhält. Es wirkt ausnahmsweise mal nicht sehr feudal, sondern schmucklos wie ein Plattenbau in Frankfurt/Oder. Deshalb sagt Löw: "Wir wollen die WM-Qualifikation bestmöglich bestreiten. Das ist unsere Verantwortung." Dass "bestmöglich" Siege in Belfast und am Sonntag in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan einschließt, sagt er nicht. Aber hören kann man es trotzdem.

Löw darf sich das demonstrative Selbstbewusstsein leisten. Acht Siege in acht Spielen hat sein Team eingesammelt - mit Ausnahme des 2:1 in Tschechien waren alle souverän herausgespielt. Es gibt sehr wahrscheinlich nicht viele Nationaltrainer, die über ein so breites Aufgebot verfügen wie Löw. Die Sommersiege im Confed-Cup und bei der U-21-Europameisterschaft, errungen ohne die großen Stars, haben das unterstrichen. Und diese Erfolge verleihen dem obersten Fußballlehrer Deutschlands auch die nötige Entspanntheit - wenn das überhaupt noch notwendig ist.

Es gibt Zeitgenossen, die in der Situation bei den DFB-Mannschaften einen Beleg für eine andauernde Überlegenheit des deutschen Fußballs sehen. Zu denen gehört Löw aber nicht. Er verschließt die Augen nicht vor einer manchmal viel tristeren Wirklichkeit, wie sie in den europäischen Vereinswettbewerben vergangene Woche sichtbar wurde.

Sechs Niederlagen in sechs Spielen "sind Anlass zum Nachdenken", betont Löw. Und er versichert: "Ich mache mir nicht erst seit vergangener Woche Gedanken, schließlich haben unsere Klubs in diesem Jahrhundert ja nicht unbedingt alle Titel geholt. Wir Trainer beim DFB beobachten den internationalen Fußball." Er schaut dabei ernst in die Runde, als würde er gleich die Manager der Bundesliga beauftragen, ihre Scouts unverzüglich in ferne Länder auszusenden. Den Irrglauben, die Bundesliga sei die beste Liga Europas, müsse man "doch ein bisschen hinterfragen", sagt Löw. Und er warnt, den Reichtum an Talenten in Deutschland zu überschätzen. "In Spanien, Frankreich und England gibt es überragende Talente", erklärt Löw. Und da schaut er wieder streng. Er sagt nicht einmal "schon auch", wofür er berühmt ist. "Definitiv", sagt er jetzt.

Das ändert allerdings nichts an dem Vorsatz, die Qualifikation für die WM 2018 in Russland mit der berühmten weißen Weste zu beenden. "Wir wissen, dass es ein schweres Spiel wird", beteuert der Trainer, "aber wir freuen uns darauf." Die Ausfälle vor allem im Angriff, der einzigen vielleicht nicht im Überfluss bestückten Abteilung, bringen Löw auch nicht von seiner taktischen Ausrichtung ab. "Wenn wir unsere Spielanlage richtig auslösen, dann haben wir immer Spieler, die Tore erzielen können", erklärt er. Und dann nennt er einige: "Thomas Müller, Leroy Sané, Sandro Wagner." Auf den Namen Lars Stindl bringen ihn die Zuhörer. "Auch er kann in der Startaufstellung stehen", sagt Löw. Tief in die Karten lässt er sich nicht mehr schauen. Der kleine Vortrag über den Vereinsfußball muss vorerst reichen.

(pet)
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