Kolumne Gegenpressing Der DFB muss seine Ticketpreise überdenken

Länderspiele sind keine Selbstläufer mehr, viele Plätze bleiben unbesetzt. Das liegt am Missverhältnis zwischen Preis und Angebot. Teure Karten bewirken eine ungünstige Publikumsstruktur - auf Kosten der Stimmung.

RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Peters

Ende August 2016 in Mönchengladbach: Knapp 30.000 Zuschauer verlieren sich im Borussia-Park beim Abschied für den Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger. 22. März 2017 in Dortmund: Knapp 60.000 Zuschauer kommen ins ehemalige Westfalenstadion zum Abschied für den Fußball-Weltmeister Lukas Podolski - an einen Veranstaltungsort, der sonst zuverlässig bestens besucht ist, wenn der Platzwart auch nur das Flutlicht einschaltet.

Die Stimmung in beiden Stadien: Über weite Strecken vornehm gedämpft, höfliche Menschen hüten sich vor zu lauten Gesprächen, um die Spieler auf dem Rasen nicht zu stören. Irgendetwas stimmt nicht bei den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Offenbar scheuen die Fans eine Produktenttäuschung. Sie wollen keine Spiele, auf denen A-Nationalmannschaft steht, die aber tatsächlich ein besseres öffentliches Training für Akteure aus der zweiten Reihe sind. Der Bundestrainer hat für solche Umwidmungen eine sportlich sinnvolle Erklärung. Der Terminkalender lässt ihm schließlich sehr wenige Möglichkeiten, nachrückende Athleten unter Wettkampfbedingungen zu testen. Die Ergebnisse solcher Probeläufe müssen ihm herzlich gleichgültig sein. Dem Publikum ist das allerdings so lange nicht herzlich gleichgültig, wie für die Mogelpackung der gleiche Preis entrichtet werden muss wie für das Großereignis mit allen Weltstars. Das erklärt den Mangel an Resonanz.

Die gedeckte Stimmung ist ein Ergebnis der Zuschauerstruktur. Dafür ist in erster Linie der DFB zuständig, der das Vorkaufsrecht für Eintrittskarten an die Mitgliedschaft in einem seltsamen Gebilde koppelt. Es trägt den wenig einladenden Namen "Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola", und das sagt bereits viel über dieses allzu künstliche Produkt. Es ist ein Teil der Vermarktungsmaschine DFB und schon deshalb in seiner Kreativität im Stadion eher zurückhaltend.

Das passt zum durchschnittlichen Länderspiel-Publikum, das den hohen Preis trotz absehbar nicht entsprechender Gegenleistung nicht scheut, weil es den Besuch im Stadion schick findet. Es erwartet Unterhaltung, woran natürlich nichts auszusetzen ist, aber es kommt nicht, um sich selbst zu begeistern. Anders als in der Bundesliga gibt es aber auf den Rängen niemand, der für die Unterhaltung sorgt. Mehr als ein paar Sprechchöre, nach denen "wir die Nummer eins der Welt sind", die allein eher für Frösteln sorgen, gibt es nicht.

Aus dieser Sackgasse führt nur ein Weg: eine andere Preispolitik. Die bringt auch jene ins Stadion, die nicht in erster Linie unterhalten werden wollen, sondern die auch etwas beitragen möchten. Und der DFB könnte sich als größter Sportverband der Welt mal richtig für seine sozialen Wohltaten feiern lassen. Leisten kann er es sich. Schließlich ist er mit Jahresumsätzen weit jenseits der 200-Millionen-Euro-Grenze nicht eben arm und genießt als eingetragener Verein Steuervorteile.

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(RP)
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