WM-Countdown läuft Högschde Konzentration

Düsseldorf · Drei Monate sind es noch bis zur WM-Endrunde in Russland. Doch schon jetzt vor den Testspielen gegen Spanien und Brasilien steht ein Leitgedanke im Mittelpunkt: Die Nationalspieler sollen dem sportlichen Erfolg alles unterordnen.

Joachim Löw bei der EM 2021 – Freiburger, DFB-Pokalsieger, Weltmeister
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Das ist Joachim Löw

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Der Bundestrainer findet, es ist Zeit, den netten Jogi zumindest kurz mal wieder durch den strengen Herrn Löw zu ersetzen. Denn die Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland hat begonnen. Vor den beiden Testspielen gegen Spanien (Freitag, 20.45 Uhr, in Düsseldorf) und Brasilien (nächsten Dienstag, 20.45 Uhr, in Berlin) wählt er das Sprachmodell der sehr ernsthaften Ermahnung.

"Wenn wir in Russland erfolgreich sein wollen", sagt der strenge Herr Löw, "müssen wir zuallererst wieder diesen bedingungslosen Hunger auf Erfolg haben." Und seinem Personal gibt er den Leitgedanken für die drei Monate bis zur WM-Endrunde auf den sportlichen Lebensweg: "Wir wollen sehen und spüren, dass die Spieler unseren Zielen alles unterordnen und dafür alles geben."

Man muss davon ausgehen, dass Löw bei der Nominierung seines Aufgebots für die Freundschaftsspiele gegen die beiden prominenten Gegner genau solche Spieler berücksichtigt hat, die dazu bereit sind. Dass er beispielsweise Mario Götze von Borussia Dortmund nicht berufen hat, spricht deshalb für sich. Ganz offenkundig ist der Bundestrainer nicht dringend davon überzeugt, dass der Mann, den er vor fast vier Jahren mit der berühmten Empfehlung "zeig der Welt, dass du besser bist als Messi", ins WM-Finale von Rio schickte, zurzeit keine maßgeblichen Beiträge zum Erreichen ehrgeiziger Ziele beizutragen hat.

Und Löw hat nicht vor, nur zur Weiterbildung nach Russland zu fahren. Seit dem Sommer 2014, dem Triumph von Brasilien, spricht der oberste Übungsleiter der Nation über seinen Traum von der Titelverteidigung. Sie würde ihn, wenn so etwas überhaupt geht, noch ein Stückchen unsterblicher machen.

Die Testspielgegner in diesem Frühjahr passen zu Löws großen Plänen. Die DFB-Auswahl wird gegen Spanien und Brasilien auf jeden Fall härter gefordert als in den Qualifikationsspielen, die sie gegen international zweitklassige Gegner allerdings sehr souverän überstand. Schon im Herbst beim Test gegen Frankreich wurden Schwachstellen aufgedeckt, an denen das Team bis zum Sommer arbeiten muss. Löw war das sicher recht.

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Ihm war aber auch recht, dass seine Mannschaft spät und schon deshalb ein wenig glücklich noch zum 2:2-Ausgleich kam. So ein Ergebnis sorgt wegen der Phasen deutlicher französischer Überlegenheit für die notwendige Nachdenklichkeit. Das 2:2 gibt aber auch das Selbstbewusstsein, im Wettlauf mit den Besten auf keinen Fall chancenlos zu sein.

Löws Team lernt in den Begegnungen mit der Prominenz, dass Fehler auf dem hohen Niveau be-straft werden und dass Löws schon sprichwörtliche Forderung nach "högschder Konzentration" ziemlich berechtigt ist.

Der Bundestrainer erwartet mit Recht, dass die Spiele gegen Spanien und Brasilien weiteres Anschauungsmaterial liefern werden. Vor allem das Abwehrverhalten seiner Mannschaft erlebt ernsthafte Belastungsproben. Dazu gab es in der gesamten Qualifikation keinerlei Gelegenheit.

Das Aufgebot unterstreicht, dass sich Löw nicht mehr viel Zeit für personelle Experimente nehmen wird. Er hat keine Neulinge berufen, es geht ihm bereits um das Einspielen für den WM-Fall. Pflichtgemäß beteuert er zwar, "dass die Tür zur Nationalmannschaft insgesamt noch nicht geschlossen ist". Aber selbst Marco Reus, auf dessen Mitwirkung der Coach nach der langen Verletzungspause des Dortmunder Stürmers verzichtet, wird sich in den nächsten Wochen mächtig strecken müssen, wenn er zum ersten Mal seit der EM 2012 bei einem großen Turnier dabei sein will.

Reus hat trotzdem bessere Chancen auf Russland als sein Vereinskollege Götze. Dessen Stern befand sich eigentlich schon in Brasilien 2014 im Sinkflug. Das Tor im Finale zum 1:0-Erfolg über Argentinien hat das ein wenig übertüncht. Aber das Versprechen seiner frühen Jahre (schönes Wort, bei einem immer noch erst 25-Jährigen) hat er nicht eingelöst. Götze galt mal als größtes Talent seiner Generation, ein Mann mit der Veranlagung zum Weltstar. Das war einmal.

(pet)
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