Länderspiel in Hannover abgesagt Rauball: "Trauriger Tag für den Fußball"

Hannover/Düsseldorf · 91 Minuten vor dem Anpfiff wurde das in Hannover angesetzte Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden abgesagt. Nach Angaben der Polizei lag eine "konkrete Gefährdungslage" vor.

 Boris Pistorius, Thomas de Maizière und Reinhard Rauball bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

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Foto: dpa, ole htf

Rund um die niedersächsische Fußball-Arena hat die Polizei verschiedene Sicherheitszonen eingerichtet. Überall stehen Beamte, viele von ihnen mit Maschinenpistolen. Es herrscht eine nervöse Atmosphäre. Nach den Anschlägen von Paris ist jeder für eine mögliche Gefahr sensibilisiert.

Um kurz nach 19 Uhr geht auf den Straßen rund um den Maschsee, an dem das Stadion liegt, nichts mehr. Alle Zufahrten sind verstopft. Erste Unruhe kommt auf, es wird wild gehupt. Um 19.09 Uhr kommt ein Motorradpolizist angerast und versucht, an der Stadionstraße aufgeregt die Autos umzuleiten. Er sagt auf Nachfrage: "Es liegt eine Gefährdungslage vor." Zu diesem Zeitpunkt kann man das Ausmaß noch nicht erfassen. Das sollte sich schnell ändern. Ein paar hundert Meter weiter steht eine Einsatzhundertschaft. Ihre Blicke sind verstört. Über Funk haben sie in diesem Moment von der Absage erfahren. Um 19.14 Uhr war klar: Vier Tage nach den Terroranschlägen von Paris wird das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande 91 Minuten vor dem geplanten Anpfiff aus Sicherheitsgründen abgesagt. Das Stadion in Hannover wird evakuiert.

Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe sprach im "NDR" von einer "konkreten Gefahrenlage für ganz Hannover. Es war beabsichtigt, einen Sprengsatz im Stadion zu zünden." Der entscheidende Hinweis soll von einem ausländischen Geheimdienst gekommen sein. Der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Rauball, sprach von einem "traurigen Tag für Deutschland und den deutschen Fußball. Dass unsere Mannschaft zweimal in vier Tagen ein solch tragisches Erlebnis erfährt, war nicht vorstellbar", sagte Rauball: "Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tage in vielen Facetten eine andere Wende bekommen hat."

Vor dem Stadion sagte die Polizei per Megafon durch: "Meine Damen und Herren, liebe Fußballfreunde. Es tut mir leid, aber das Spiel ist kurzfristig abgesagt worden. Bleiben Sie bitte ruhig, es ist keine Gefahr im Anmarsch. Gehen Sie ganz normal nach Hause." Gleichwohl, so der dringende Appell vieler Polizisten: Man solle größere Menschenmengen meiden.

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Die Evakuierungszone wurde mit Absperrband mit der Aufschrift "Stop — Lebensgefahr" kenntlich gemacht. Viele der knapp 52.000 Inhaber von Tickets standen zu diesem Zeitpunkt weiterhin im Stau auf den Zufahrtsstraßen zum Stadion, einige Besucher waren aber bereits im Stadioninnenbereich. Die Evakuierung lief geordnet, ruhig und ohne jegliche Form von Panik ab.

Kurz nach 20 Uhr wurde der Sicherheitsring rund um das Stadion dann deutlich ausgeweitet. Sondereinsatzkommandos auch aus benachbarten Bundesländern waren im Einsatz und suchten das Gelände im Hannoveranschen Sportpark ab. Anschließend sperrten die Polizeibeamten die Abfahrtswege und untersuchten jedes Auto vor der Abreise. Dadurch entstanden kilometerlange Staus. Auch im U-Bahnverkehr kam es zu Störungen. Auf Wunsch der Polizei fuhren einige Linien nicht mehr, andere ließen Haltestellen in der Innenstadt aus.

Die Mannschaft war auf der Fahrt in die Arena, als sie von der Absage erfuhr. "Wir sind auf dem Weg ins Stadion von der Polizei umgeleitet worden und an sicherem Ort. Mehr können wir derzeit nicht sagen, Bitte um Verständnis", schrieb Nationalmannschafts-Sprecher Jens Grittner um kurz nach 20 Uhr beim Nachrichtendienst Twitter. Das Team war nach Angabe von Rauball zu diesem Zeitpunkt etwa fünf Kilometer vom Stadion entfernt und soll zunächst zu einer Polizeidienststelle geführt worden sein. Der Bus mit der niederländischen Mannschaft folgte dem der deutschen. Anschließend kehrten die deutschen Spieler mit dem Flugzeug oder in Fahrgemeinschaften nach Hause zurück. Dem niederländischen Team wurde kurzfristig ein Rückflug aus Hannover ins Heimatland organisiert.

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Nach den Vorfällen von Paris galt für die Begegnung gegen den WM-Dritten aus den Niederlanden in Hannover die höchste Sicherheitsstufe. Unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere hochrangige Politiker hatten ihr Kommen angekündigt. Merkel war bereits in Hannover gelandet, flog aber direkt nach Berlin zurück.

Schon zwei Stunden vor der Partie hatte die Polizei wegen des Fundes eines verdächtigen Gegenstandes einen Bereich vor dem Stadion abgesperrt. Nach eingehender Kontrolle wurde aber zunächst Entwarnung gegeben: "Der verdächtige Gegenstand an der Robert-Enke-Straße hat sich als ungefährlich herausgestellt", teilte die Polizei Hannover zu diesem Zeitpunkt mit. Nach der Absage sagte Hannovers Bürgermeister Stefan Schostok: "Sicherheit geht immer vor. Es ist eine Befürchtung, die man immer hat. Ich vertraue der Polizei, dass sie hier die richtige Entscheidung getroffen hat. Wenn eine Gefährdungslage vorliegt, dann müssen solche Schritte eingeleitet werden."

Aufgrund der Terroranschläge von Paris, die das deutsche Team hautnah miterlebte, war bereits im Vorfeld des Spiels gegen die Niederlande eine Absage diskutiert worden. Einige Spieler hatten zunächst dafür plädiert. Der DFB hatte sich dann aber gemeinsam mit Holland entschieden, zu spielen. Das Spiel "sollte eine klare Botschaft und ein klares Symbol für die Freiheit und für die Demokratie" sein, hatte Bundestrainer Joachim Löw erklärt.

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