Ein Gomez - und sonst nichts Wo sind die Stürmer?

Oslo · Thomas Müller hat seit 589 Minuten nicht getroffen, Mario Gomez ist nicht dabei. Joachim Löw muss auch zum Auftakt der WM-Qualifikation im Angriff improvisieren.

 Mario Gomez fiel im EM-Halbfinale gegen Frankreich verletzt aus.

Mario Gomez fiel im EM-Halbfinale gegen Frankreich verletzt aus.

Foto: afp

Sein Trainer war zufrieden. Mario Gomez erzielte das einzige Tor des Spiels, er traf im Stile eines Mittelstürmers - per Kopf nach einer Flanke. Der Nationalspieler war außerdem an mehreren torgefährlichen Aktionen beteiligt, war stets anspielbar, holte sich den Ball aus der eigenen Hälfte und wich immer wieder auf die Flügel aus. "Ein guter Test", sagte sein Trainer, "ich bin zuversichtlich", ergänzte Gomez.

Dumm nur: Der Trainer heißt Dieter Hecking, den guten Test absolvierte Gomez am Freitagabend im Trikot des VfL Wolfsburg, es war ein Spiel ohne Publikum, das die Niedersachsen mit 1:0 gegen Dynamo Dresden gewannen. Die Erkenntnisse daraus dürften auch Bundestrainer Joachim Löw interessiert haben, er kann mit ihnen allerdings nichts anfangen, jedenfalls nicht in diesen Tagen, da die WM-Qualifikation beginnt.

Am Sonntag (20.45 Uhr/Live-Ticker) in Oslo gegen Gastgeber Norwegen muss Löw ohne Gomez auskommen. Der 31 Jahre alte Angreifer ist nach seinem Muskelfaserriss im Adduktorenbereich, erlitten Anfang Juli im EM-Viertelfinale gegen Italien, noch nicht so weit hergestellt, dass er im Ullevaal-Stadion mitwirken könnte. Ein Umstand, den unter anderem Thomas Müller beklagt. Es gebe zu wenige vom Schlage eines Mario Gomez in Deutschland, betonte der Weltmeister.

"Natürlich haben wir in dieser zentralen Position zu wenig Optionen", sagte Müller der Bild und ergänzte: "Das ist ein grundsätzliches Problem." Ja, in den vergangenen Jahren hätten zu sehr das Fußballerische und das Technische im Vordergrund gestanden, das habe offenbar zur Folge gehabt, dass "diese bulligen und technisch vielleicht manchmal schwächeren Spieler im Offensivbereich dann aussortiert wurden".

In Deutschland, stellte Müller fest, galt in den vergangenen Jahren die spanische Fußball-Lehre als Nonplusultra, "man sieht aber", ergänzte er, "dass es nötig ist, auch eine Strafraum-Stürmer-Variante zu haben". Das kann, wer will, als Kritik an Bundestrainer und Verband sehen. In den Nachwuchsmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gibt es jedenfalls nur wenige Spieler, die an einen Mittelstürmer klassischer Prägung erinnern.

"Am Ende des Tages brauchst du diese Spieler, vor allem in der Luft", glaubt der bisherige U21-Trainer Horst Hrubesch. Auch er musste, wie zuletzt bei Olympia, ohne einen dieser Spieler vom Typ Gomez auskommen. Die "falsche Neun" als alleiniges Mittel sei eine Modeerscheinung gewesen, behauptet Hrubesch, er sieht Spieler wie Mario Götze eher als "zusätzliche Alternative" und hält es für "wichtig, dass du vorne einen Zielspieler hast".

Diese Rolle ist nicht so einfach auszufüllen, das hat auch der gewiss nicht unflexible Müller feststellen müssen, vor allem im verlorenen EM-Halbfinale gegen Frankreich. Da hätte er einfach "akzeptieren müssen, dass ich als Stürmer aufgestellt bin und auch mal 20 Minuten keinen Ballkontakt habe, aber trotzdem im Zentrum da bin". Das aber, sagte Müller selbstkritisch nach der EM, "habe ich nicht ganz auf die Reihe bekommen".

Im aktuellen Kader von Löw ist Müller mit 32 Treffern der beste Schütze - im Nationaltrikot aber hat er seit fast zehn Stunden nicht mehr getroffen. Auch, weil eben einer wie Gomez fehlt. Es wäre deshalb "förderlich für den deutschen Fußball, wenn in den nächsten Jahren Spieler kommen, die sich auf dieser Position in der Weltspitze bewegen", sagte Müller. Allerdings könne man diese Spielertypen nicht "im Planungsbüro bestellen".

(sid)
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