Eine Ära geht zu Ende Servus, Basti!

Düsseldorf · Der Kapitän geht von Bord: Am Mittwochabend (20.45 Uhr/Live-Ticker) bestreitet Bastian Schweinsteiger sein letztes Länderspiel im DFB-Trikot. Seine Karriere begann er als "Schweini", jetzt tritt er nach zwölf Jahren Nationalmannschaft als großer Stratege ab.

Nach allem, was man so hört, muss der Profifußball doch eine ganz lustige Angelegenheit sein. Zum Beispiel im "Sommermärchen". Da albern die Kumpels "Schweini" und "Poldi" so wunderbar herum, dass es so aussieht, als sei die Auswahl des DFB auf einer mehrwöchigen Klassenfahrt. Das ist zehn Jahre her. Aber es wirkt nach.

So muss Bastian Schweinsteiger, der nun gar nicht mehr nach Klassen-Clown, sondern eher wie ein in Ehren ergrauter, kantiger Charakterdarsteller aussieht, am Dienstag in einem Düsseldorfer Autohaus noch mal sagen, was denn besonders lustig in seiner DFB-Laufbahn gewesen sei. Da grübelt der einstige Lausbub. "Vieles war lustig, wenn man von Menschen wie Lukas Podolski und Thomas Müller umgeben ist", sagt Schweinsteiger, "aber besonders lustig war, als ich 2006 mal in der Früh in Poldis Zimmer kam. Da lag er auf dem Bett wie ein toter Hund, und das Handy war ihm aus der Hand gefallen." Das findet Schweinsteiger noch heute komisch. Die lustigen Zeiten mit Podolski und Müller sind für Schweinsteiger aber vorbei. Der Kapitän der Nationalmannschaft feiert am Mittwochabend im Mönchengladbacher Borussia-Park seinen Abschied im Testspiel gegen Finnland (20.45 Uhr/Live-Ticker). Nach zwölf Jahren und dann 121 Länderspielen.

Bastian Schweinsteiger: seine letzte DFB-PK
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Schweinsteigers letzte DFB-PK

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Es hätten viel mehr sein können, genau 174 wurden seit seinem Einstand 2004 im Freundschaftsspiel gegen Ungarn ausgetragen, Schweinsteiger wäre einsamer Rekordhalter, wenn der Körper immer mitgemacht hätte. "Manchmal", sagt er, "muss man dem Körper die Zeit geben, sich zu erholen. Ich bin auch so sehr, sehr glücklich." Und er lächelt versonnen — sehr, sehr versonnen.

Von der Rumpeltruppe zum Sommermärchen

Schweinsteiger steckt im Nostalgiemodus. Natürlich wird er nicht nur nach dem lustigsten Moment der Karriere, sondern auch nach dem schönsten gefragt. Darauf gibt er eine sehr kundenbezogene Antwort: "Das Schönste für mich war immer, zu sehen, wie uns die Fans unterstützt haben." Er hat die Zeit miterlebt, in der die Nationalmannschaft nach finsteren Jahren des Rumpelfußballs wieder ein Kulturgut erster Klasse wurde, ein Ensemble, auf dessen Darbietungen ein ganzes Land stolz sein durfte. Das fing schon beim Konföderationen-Cup 2005 statt, der eine Generalprobe für 2006, ein kleines Sommermärchen war. Schweinsteigers Augen glänzen. Und er versichert: "Ich fühle eine tiefe Dankbarkeit, dass ich das erleben durfte." Es bleibt ja nicht dabei. Genauso märchenhaft wie der Aufschwung der Nationalelf und der Sommer 2006 mit dem dritten Platz bei der Heim-WM ist die weitere Laufbahn des Mittelfeldspielers, der als "Schweini" beginnt und als großer Stratege geht. Gekrönt wird sie vom WM-Titel 2014 in Brasilien.

Schon auf dem Weg dahin muckt der Körper vernehmlich gegen beständige Höchstbelastung, bereits in dieser Zeit ist absehbar, dass Schweinsteiger nicht als Rekordspieler abtreten wird wie Lothar Matthäus, der mit deutlich dosierterem Aufwand auf 150 Länderspiele gekommen ist. Schweinsteiger quält sich noch zwei weitere Jahre bis zur EM 2016. "Da wollte ich unbedingt hin", beteuert er, "ich habe im Halbfinale gestanden und bin immer noch überzeugt von meinen Fähigkeiten. Ich weiß, was ich kann und was ich will." Er will auf jeden Fall noch weiter spielen.

Der Abschied von der Nationalelf ist nicht der Abschied vom Fußball. Das betont er mehrmals. Im Augenblick aber lassen sie ihn nicht bei seinem Klub Manchester United. Der neue Trainer José Mourinho hat ihn in die zweite Mannschaft gesteckt, Schweinsteiger trainiert auf einem Nebenplatz, und seinen Schrank im Trakt der ersten Mannschaft musste er räumen. Dennoch sagt er: "Mein absoluter Traum ist, für Manchester United zu spielen." Aber er räumt auch ein: "Ich weiß, wie die Interessen von United sind." Vielleicht bleibt ihm nur die Flucht von der Insel.

Amerika ist eine Option

Ein weiteres Engagement in Europa hat er ausgeschlossen. "Amerika ist natürlich eine Option", sagt er. Allerdings nur, wenn das Transferfenster im Winter wieder öffnet, oder wenn er sich mit United auf eine Vertragsauflösung einigt. Dann gilt er als "Free Agent", der keiner Transferbeschränkung unterliegt. Damit will er sich an diesem sonnigen Tag im Autohaus aber gar nicht beschäftigen. Er blickt lieber voraus auf einen "bestimmt sehr emotionalen Abend" in Mönchengladbach. Es sei ihm wichtig, dass "Freunde und Familie dabei sind", betont Schweinsteiger, "und ich freue mich über jeden einzelnen Zuschauer."

Das muss er wahrscheinlich sagen, weil die 20.000 im Vorverkauf abgesetzten Karten nicht gerade ein ausverkauftes Haus verheißen. Es sind immerhin deutlich mehr Zuschauer als beim Training der zweiten United-Mannschaft. Und obwohl er nach der EM kein Spiel mehr bestritten hat, verspricht Schweinsteiger: "Für einige Minuten wird es schon reichen." Voraussetzung: "Ich brauche gute Läufer neben mir." Und dann lacht er sogar. Ganz ohne Podolski.

(RP)
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