Schiedsrichter-Skandal "Lasse mich nicht auf Schlachtbank führen"

Frankfurt/Main (RPO). Der frühere Schiedsrichter-Beobachter Manfred Amerell sieht einer Strafanzeige durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) wegen übler Nachrede und Verleumdung gelassen entgegen. "Ich habe in der ganzen Angelegenheit immer die Wahrheit gesagt. Deswegen habe ich davor überhaupt keine Angst", sagte der 63-Jährige der Augsburger Allgemeinen.

Das ist Manfred Amerell
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Amerell will in der Auseinandersetzung mit dem DFB nicht klein beigeben. "Ich lasse mich garantiert nicht auf die Schlachtbank führen", sagte Amerell: "Die sollen die Wahrheit sagen, wenn sie das nicht tun, bin ich gut vorbereitet."

Amerell hatte DFB-Präsident Theo Zwanziger Günstlingswirtschaft vorgeworfen. Ein Schiedsrichter aus Zwanzigers Heimatort Altendiez sei laut Amerell in die Bundesliga gehievt worden, obwohl andere Kandiaten nach dem Bewertungssystem geeigneter gewesen wären.

Amerell, der von Fifa-Schiedsrichter Michael Kempter und drei weiteren anonymen Referees der sexuellen Belästigung beschuldigt wird, räumte erneut eigene Fehler ein. "Ich habe einen Fehler gemacht, weil ich die notwendige Distanz nicht gewahrt habe. Meine Glaubwürdigkeit war so angegriffen, dass ich nicht mehr weitermachen konnte. Außerdem ist es wie in der Politik: Wenn du einen Fehler machst, musst du deinen Hut nehmen", sagte Amerell, der die Vorwürfe aber nach wie vor bestreitet.

Die Schiedsrichter-Karriere von Kempter sieht Amerell als beendet an: "Als Schiedsrichter ist er durch. Von seiner Leistung her ist das schade, weil er ein Juwel war, das wohl größte Talent, das ich jemals gesehen habe."

Kommentar von Martin Beils

Vor vier Monaten hielt Theo Zwanziger bei der Gedenkfeier für Robert Enke eine Rede, die ihm landauf, landab höchstes Lob eintrug. Er traf den Ton, er wählte die richtigen Worte, er trat auf wie ein Staatsmann. Wäre Zwanziger im Politbarometer genannt worden, er hätte Minister und Parlamentarier hinter sich gelassen. Was für ein großartiger Präsident!

In atemraubender Geschwindigkeit aber verlor der Chef des Deutschen Fußball-Bundes an Reputation. Das Missmanagement bei den Vertragsverhandlungen mit dem Bundestrainer und dessen Crew, jetzt das Desaster im Fall Amerell, dazu ein Wettskandal, der immer noch durch die Szene spukt — die Öffentlichkeit hat das Vertrauen in Zwanzigers Fähigkeiten verloren, Medien aller Couleur greifen ihn scharf an. Verband und Liga stehen noch fest zu ihm. Weil die Alternative fehlt.

(SID/chk)
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