Alles nur noch Kommerz? Juves neues Logo entfacht die Traditionsdiskussion

Düsseldorf · Am neuen Vereinswappen von Juventus Turin scheiden sich die Geister. Fußball-Traditionalisten aus aller Welt sehen darin ein weiteres Symbol für die zunehmende Kommerzialisierung ihres Sports. Doch wieso regen sie sich überhaupt noch darüber auf?

Fußball: Die hässlichsten Wappen der Welt
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Die hässlichsten Vereins-Wappen

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Foto: Juventus Turin

Mit diesem Echo hätte Cristian Nyari wohl nicht gerechnet. Der für den US-Markt zuständige PR-Profi des FC Bayern postete vorgestern um 14.52 Uhr ein Foto vom neuen Trikot des italienischen Rekordmeisters Juventus Turin auf seinem Twitter-Account. Darüber schrieb er: "Im Ernst. Wie kann man dieses Logo nicht mögen? Es sieht toll aus". An der Diskussion, die er damit auslöste, wird deutlich, wie schwer es ist, im Fußball Neuerungen durchzusetzen.

Fußball-Traditionalisten aus aller Welt meldeten sich bei dem Bayern-Mann, sagten ihm, dass er im Unrecht sei und dass der Klub mit der Neufassung des Logos seine Werte und Traditionen verraten habe. Dass das neue Wappen nur ein weiterer Schritt sei, um aus einem Fußballklub eine Marke zu machen. Nyari wehrte sich, wollte das nicht so stehen lassen und antwortete mit den Argumenten, auf die Befürworter von Veränderungen gerne zurückgreifen. Die Welt sei in Bewegung, schrieb er. Und die Aufregung werde sich schon bald legen.

Doch worum ging es überhaupt? Auf dem Foto, das Nyari postete, war ein Leibchen zu sehen, wie es Juve-Spieler vermeindlich schon seit Generationen am Körper tragen, wenn sie in die Stadien dieser Welt einlaufen — ein einfaches Fußball-Trikot mit schwarzen und weißen Längsstreifen und goldener Schmucknaht an den Ärmeln und im Nacken.

Wäre das alles gewesen, hätte es wohl keinen Aufschrei geben. Für Aufregung sorgte allein das neue Klub-Wappen, das auf der Brust des Trikots zu sehen war. Ein stilisiertes J, zusammengesetzt aus dem typischen Streifenmuster und in Form eines Schildes — ein Symbol für den Meistertitel der Serie A, der im Italienischen umgangsprachlich "Scudetto" (dt. kleiner Schild) genannt wird.

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Foto: Sao Paulo

Der Verein wollte sich mit der Neufassung seines Vereinslogos modern präsentieren, gerüstet für die digitalisierte Welt, gleichzeitig aber auch traditionsbewusst. Vereinspräsident Andrea Agnelli sagte bei der Präsentation des Wappens: "Dieses neue Logo ist ein Symbol für Juves Lebensstil. Innovation bedeutet Fortschritt, ohne zu vergessen, wer man ist. Unser Wesen war und wird immer auf dem Platz zu finden sein." Ein Jahr lang sei an dem Logo gearbeitet worden. Es solle im neuen digitalen Zeitalter auf mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets Vorteile bringen — besser für Icons nutzbar sein, weil es nicht verpixelt ist.

Dass die Präsentation des Logos einen Aufschrei unter den Fans auslösen würde, war unvermeidlich. Dabei spielt es auch keine Rolle, wie viel Arbeit in der Neufassung steckt, und dass sich der Verein Mühe gegeben hat, Klubtraditionen und Symbolik angemessen zu berücksichtigen. Die Fußballromantiker stören sich nämlich weniger am neuen Logo selbst, als an der Tatsache, dass dafür das alte Wappen verschwindet. Jenes Wappen, mit dem sie aufgewachsen sind und dass sie seit je her mit dem erfolgreichen Fußball-Klub aus Turin verbinden.

Außerdem ist die Neufassung des Logos für sie ein weiteres Symbol für die zunehmende Kommerzialisierung des Volkssports. Die Romantiker unter den Fußballfans haben ein Problem damit, dass aus dem Spiel, das früher einmal begabte Kicker aus der Nachbarschaft betrieben haben, ein knallhartes Geschäft geworden ist, bei dem angesichts zunehmender Professionalisierung jene Nähe und familiäre Atmosphäre auf der Strecke bleiben, die den Fußball früher einmal ausgezeichnet haben. Dass der Klub nun sogar angibt, mit der Neufassung stategische Ziele zu verfolgen, bestärkt sie nur in ihrer Ablehnung.

Das Problem ist, dass beide Seiten nur wenig Verständnis füreinander aufzubringen bereit sind. Die Vereinsbosse haben verständlicherweise vorrangig den sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg im Blick, während die traditionsbewussten Fans ihren Verein als Teil ihrer Lebenswirklichkeit wahrnehmen. Das führt dazu, dass aus Sicht der Funktionäre stategisch wichtige Maßnahmen wie die Neugestaltung eines Logos unweigerlich zu Konflikten mit den eigenen Anhängern führen, die nicht wollen, dass sich etwas verändert.

Die Diskussion um das Logo von Juventus Turin wird also nicht die letzte dieser Art sein. Ob Anstoßzeiten, Spielregeln oder WM-Erweiterung — es gibt im Fußball unzählige Dinge, an denen Funktionäre und Fans sich reiben können. Einen Ausweg aus dieser Misere gibt es nicht.

(th)
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