U20-Junioren "Halbgott" Zeise und das WM-Wunder von Myanmar

Köln/Auckland · Fußball-Zwerg Myanmar ist bei der U20-WM trotz zwei Niederlagen der Liebling der Fans. Trainer ist der Deutsche Gerd Zeise, ein ehemaliger Sozialarbeiter.

 Gerd Zeise führte Myanmar erstmals zu einer WM.

Gerd Zeise führte Myanmar erstmals zu einer WM.

Foto: dpa, hit hak

Daheim in Myanmar ist Gerd Zeise ein Star. "Wenn ich auf der Straße nicht erkannt werden will, muss ich mich verkleiden", sagt der Fußball-Trainer mit dem markanten Schnäuzer. Seinen Ruhrpott-Dialekt kann er dabei ebenso wenig verstecken wie den Stolz in seiner Stimme. "In Myanmar sind meine Spieler Halbgötter", berichtete er vor der Abreise zum großen "Abenteuer" U20-WM dem TV-Sender Sky.

Dank Zeise hat das kleine Myanmar erstmals eine Fußball-WM erreicht. Bei der Endrunde in Neuseeland steht der krasse Außenseiter nach Niederlagen gegen die USA (1:2) und die Ukraine (0:6) zwar vor dem Aus, Publikumsliebling ist das Team dennoch. "Wir schreiben gerade Geschichte, die Bevölkerung in Myanmar ist so stolz auf uns", sagt der 62-Jährigen über das kleine Fußball-Märchen.

Zeise hat schon viel erlebt, war Trainer in Japan, Südkorea, China, Vietnam, auf den Malediven und beim belgischen Erstligisten KRC Harelbeke, verdiente seine Brötchen als Scout von Hertha BSC und Energie Cottbus. 2010 arbeitete der diplomierte Sozialpädagoge Zeise als Sozialarbeiter in Treptow und half Hartz-IV-Empfängern, den Weg zurück in einen Job zu finden.

Dann hörte der Weltenbummler von der offenen Trainerstelle in Myanmar, schickte seine Bewerbung nach Südostasien und hatte nach wenigen Tagen den Job. Seit fünf Jahren arbeitet Zeise schon in dem bitterarmen Land, mit der geglückten WM-Qualifikation im Oktober 2014 als Krönung. Als beim entscheidenden Spiel im Thuwunna Stadium in der Hauptstadt Rangun der Schlusspfiff ertönte, hüpften und tanzten 29.000 Fans.

"Für das Land, für die Spieler und für mich ist das sehr aufregend. So etwas hat Myanmar noch nie erreicht", sagt Zeise, dessen Wahlheimat zuletzt durch seine Flüchtlingsproblematik fast nur negative Schlagzeilen schrieb: "Die Erwartungshaltung ist verdammt groß, die Fans wollen immer gewinnen. Aber das ist natürlich utopisch", sagte Zeise und verweist auf den körperlichen Nachteil seiner Spieler gegen großgewachsene Teams aus Europa oder Asien.

Immerhin: Zu Vorbereitung reiste sein Team nach Berlin und Duisburg, auf dem Programm stand unter anderem eislaufen. Blaue Flecken waren programmiert. "Ich habe noch nie Schnee oder Eis gesehen, ich kennen das nur aus dem Fernsehen", sagte Mittelfeldspieler Yan Naing Oo bei Sky.

Neuland betrat Yan Naing Oo auch in Neuseeland, wo ihm am Samstag das erste Tor des Turniers gelang. Nach zwei Spielen stehen dennoch null Punkte auf der Habenseite, am Freitag (9.00 MESZ) muss gegen den Gastgeber unbedingt ein Sieg her. Zeise glaubt fest daran: "Diese Mannschaft hat Geschichte geschrieben. Jetzt muss sie eben nochmal Geschichte schreiben."

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort